Hausgeplauder :: Gemeinschaftswochenende mit tanzenden Drachen

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Teil unseres Gemeinschaftlichen Lebens ist es, dass wir zweimal im Jahr ein Gemeinschaftswochenende verbringen. Das ist für mich der Punkt, wo ich mich oft von der Gemeinschaft ein paar Tage distanziere. Denn diese großen Aktionen sind mir viel zu viele Menschen auf einmal. Ich mag das Leben im Haus wirklich gern mit allem drum und dran und mit allen Hochs und Tiefs. Aber ein ganzes Wochenende alle aufeinander ist mir persönlich zu viel.

Mein Filter reicht dafür nicht aus. Ich kann mich schwer unterhalten, wenn andere Gespräche um mich herum stattfinden. Ich tue mir schwer mich an Zeiten zu halten, weil ich Hunger habe, wenn ich Hunger habe. Es fällt mir schwer den Überblick über die Kinder und deren Bedürfnisse, die Angebote der Gemeinschaft und meine Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen, mich dabei mit dem Liepsten abzusprechen.

Dieses Wochenende stand nun also ein Gemeinschaftswochenende an und auf dem Plan stand: Gemeinsames Drachenbauen mit Anna Rubin. Ihre Drachen finde ich faszinierend. Die Idee, diese gemeinsam mit den Kindern zu bauen, fand ich wenig begeisternd, denn wie schon immer wieder erwähnt, mag ich gemeinsames Gebastel mit Kindern nicht. Aber man kann sich da nur schwer rausnehmen, wenn alle anderen Kinder auch mit dabei sind, also hieß es für mich: Eintauchen, Mitmachen, Durchbeißen. (Denn nein, diese Wochenenden sind keine Zwangsverpflichtung und ich nehme mich da aus vielen raus, aber in diesem Fall war es eben doch schwierig, weil ich die Kinder ja nicht auch zwangsläufig da ausgrenzen will).

Am Freitagabend trafen wir uns, um die Papiere für die Drachen zu färben. Der Liepste war noch im Büro und so durfte ich die Session mit drei Kindern beginnen, wovon eines gleich einmal in die Hose kackte. Volltreffer. Als ich wiederkam, wollte Frau Klein schon nicht mehr mitmachen und so übernahm ich ihr gefaltetes Papier und begann es in die Farben zu tauchen, während sie mit Miniklein herumflitzte. Mittendrin schrieb ich dem Liepsten: Komm bitte bald, ich dreiteile mich hier. Bring Schnaps!

Die Ergebnisse des Papierfärbens versöhnten mich sekündlich mit der Situation. So wundervolle Muster hatten wir in Nullkommanix gezaubert, dass ich mich plötzlich aufs Bauen der Drachen am Samstag freute.

Nach dem Papierfärben gab es gemeinsames Abendessen. Diese Mahlzeiten sind zwar eigentlich ein schöner Abschluss eines solchen Tages oder sonstiger gemeinschaftlicher Begegnungen, aber sie stressen mich ungemein. Ich muss schauen, dass alle drei Kinder etwas essen, dazwischen muss ich im Auge behalten, wo sie sind und was sie brauchen. Und mein eigener Hunger klopft auch immer wieder auf die Schulter. Für Gespräche ist da oft wenig Zeit und Raum. Der Lärmpegel von all den Kindern und Erwachsenen, klappernden Töpfen und Geschirr dazu zermürbt mich dann schnell. Als Miniklein stolperte und weinte, nahm ich den Anlass und das Kind beim Schopfe und ging in die Wohnung. In seinem dunklen gemütlichen Bett, wo ich auf seinen ruhigen Atmen wartete, konnte ich mich erholen.

Am Samstag wollten wir dann den „friedlichen Kampfdrachen“ bauen – eine japanische Drachenart. Mit Frau Klein, die nun wieder Lust auf Drachenbauen hatte am Schoß, legte ich mir die Materialen zurecht und gemeinsam begannen wir Bambusstäbe so aufs Papier zu kleben, dass der Drache gut in der Luft schwingen würde. Schnüre und Bänder aussuchen, alles gut miteinander verbinden – nach zwei Stunden hatten wir alle einen wunderschönen und ganz individuellen Drachen startklar für den freien Flug.

Draußen gab es ordentlich Wind und wir konnten unsere friedlichen Kampfdrachen in die Luft schicken, erste Baumkontakte brachten erste Brüche und nach der ersten Flugstunde wurden einige Drachen geschient und geflickt. Zeit für eine Mittagspause. Für die Drachen und für uns.

Wieder gab es gemeinschaftliches Mittagessen, von einem Koch extra zubereitet und hochwertig. Das hätte genüsslich sein können, war mir aber zu dem Zeitpunkt schon wieder alles zu viel. Ich schaute, dass die Kinder gut versorgt waren, schob mir ein paar Löffel Kartoffeln in den Mund, kostete etwas Salat und versuchte dabei einfach nur bei mir zu bleiben.

Nach dem Mittagessen bauten wir die kleinen Stubenflieger.

Winzig kleine Drachen an einem kurzen Band am Bambusstab, die man im Wohnzimmer durch die Luft schicken kann. Die wunderbar gleiten und durch die Farben traumhaft schimmern. Es hat wirklich Spaß gemacht, aber danach war für mich die Grenze an gemeinschaftlicher Aktivität und auch an Konzentration erreicht.

Am Abend gab es noch gemeinschaftliches Resteessen, aber dafür hatten wir keine Energie mehr. Und der Sonntag gehörte dann wieder jedem selbst.

Ich habe das Wochenende im Vorfeld sehr gestresst auf mich zukommen sehen. Aber die Freude am Tun hat überwiegt, weil die Drachen so wunderschön zu bauen und die einzelnen Ergebnisse so wunderschön waren. Wie ich die Mahlzeiten für uns noch erträglicher gestalten kann, weiß ich nicht. Vielleicht muss ich einfach damit leben, dass sie anstrengend sind. Vor allem so lange meine eigenen Kinder so klein sind und noch meine Begleitung dabei brauchen.

Heute hatten wir einen ruhigen Tag, wir haben den Kindern gesagt, dass sie heute mit keinen anderen Kindern spielen sollen, weil es auch ihnen mal gut tut, etwas zu sich und zur Ruhe zu kommen. Das war in Anbetracht der Harmonie hier eine sehr gute Entscheidung.

Ich freue mich nun viel mehr auf unseren begehbaren Adventkalender, den es im Dezember wieder geben wird. Wo jede Wohnung, die möchte, an einem Abend im Dezember ihr Türchen öffnen kann und alle eingeladen sind. Das ist ungezwungen und locker, meist erst später, wenn die Kinder schlafen und vor allem letztendlich doch immer in recht kleinem Rahmen, weil da ja nie alle auftauchen. Das sind Gemeinschaftsaktivitäten, die mir mehr liegen, wo ich mich wohler fühle und auch mehr ich selbst bin. Aber über meine schönen Drachen freue ich mich dennoch sehr. Und irgendwie war das Gemeinschaftswochenende an sich wie ein Tanz auf einem Drachen.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. andrea

    oh was für eine tolle aktion, grossartig! und wie gut ich dich verstehe, weil eben auch schönes viel zu viel auf einmals ein kann. deinem fazit, dass du vielleicht einfach damit leben musst, dass soetwas eben anstrengend ist, kann ich mich nur anschliessen. bei mir sind es die schulfeste und generell große feiern, die mich schnell an meine grenzen bringen. seit dem ich das bewusst wahrnehme und mein sosein akzeptiere, mich zwischendrin immer mal kurz rausnehme (toilette und atemübung* geht immer ;-) und für davor und danach erholungszeit einplane klappt es gut. und ja, meine kinder sind gross, das ist wirklich ein nicht zu unterschätzender faktor….
    hier noch die miniübung: 3 atemzüge bei denen man innerlich im rhytmus des einaus-atmens sagt: ich jetzt, ich jetzt, ich jetzt…(wahrnehmung des ist-zustandes) dann 3 atemzüge wo die worte umgedreht werden: jetzt ich, jetzt ich, jetzt ich (beruhigt und zentriert) liebe grüße an dich, andrea

    1. buntraum

      liebe Andrea – oh danke für die wunderbare Übung. Die werde ich mir merken, die klingt so schön einfach und wirksam. Danke Dir !!! Alles Liebe, Nadine

  2. lena

    Das ist für mich auch sehr nachvollziehbar und ich bin froh zu lesen, dass es dir/auch anderen so geht bzw. dass es auch okay ist, das auszusprechen/darüber zu reden. Danke.
    Die Atemübung klingt super! Danke für den Tipp.

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