Geschwisterkonstellationen – was ich daraus lerne

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Während ich an meiner zweiten Auflage für „Hand in Hand – Geschwister verstehen und begleiten“ arbeite, lese ich ein paar Bücher über Geschwisterkonstellationen. Jetzt, wo ich drei Kinder habe, taucht dieses Thema vermehrt auf, weil gerade Frau Klein so sehr die Rolle des Mittelkindes lebt und ich wissen wollte, was man so generell über die Rangfolge der Geschwister sagt. Bisher habe ich das mal in verschiedenen Artikeln erwähnt gelesen, aber mich nie genauer damit beschäftigt.

Wozu auch, dachte ich. Letztendlich ist jedes Kind individuell und man sollte es ja wünschenswerterweise auch so in seiner Einzigartigkeit betrachten. Dachte ich. Stimmt auch. Aber dennoch kann man aus der Beschäftigung mit der Geschwisterkonstellation einiges erkennen.

Obwohl ich selbst ja „nur“ eins von zwei Kindern bin, entdeckte ich, dass auch darin gewisse spannende Entdeckungen liegen. Da ich erst 5 Jahre nach meinem Bruder geboren bin, zeige ich durchaus auch Züge eines Erstgeborenen. Es hat mich anfangs irritiert, dass die Beschreibung viel besser auf mich passt als die des jüngsten Kindes einer Familie. Kevin Leman beschreibt genau dieses Phänomen in seinem Buch „Geschwisterkonstellationen“. Der Altersabstand spielt da schon eine wesentliche Rolle.

Erstgeborene streben sehr nach den Eltern und deren Aufmerksamkeit. Sie sind ehrgeizig und haben gute Schulnoten. Bei den Mittelkindern ist es eher so, dass sie – da ja die Rolle der guten Schülerin bereits besetzt ist – nach anderen Möglichkeiten streben, auf sich aufmerksam zu machen. Sie sind häufig kreativer. Und die Jüngsten sind eher gut darin sich selbst zu verkaufen und ihren Weg zu gehen ohne dabei großartige Leistungen erbringen zu wollen. Weil diese Rollen ja ohnehin schon besetzt sind. Sie bahnen sich anderweitig ihren Weg.


Wie Kevin Leman kurz die verschiedenen Geschwistertypen beschreibt:

Erstgeborene: perfektionistisch, verlässlich, gewissenhaft, jemand, der sich Listen macht, organisiert, kritisch, ernsthaft, gelehrt

Mittelkinder: die, von denen die wenigsten Fotos im Familienalbum zu finden sind, vermittelnd, konfliktscheu, unabhängig, führlt sich seinem – großen – Freundeskreis sehr verpflichtet, ist dennoch Einzelgänger

Nesthäkchen (Letztgeborene): manipulierend, charmant, gibt anderne die Schuld, prahlerisch, auf Menschen zugehend, guter Verkäufer, frühreif, gewinnendes Wesen


Ich wunderte mich also, warum ich als Jüngste doch aber so sehr ebenfalls nach genau den guten Noten strebte, die mein Bruder mühelos heim brachte. Aber scheinbar war ich zu weit weg und sah ihn als Vorbild, statt als Rivalen an. Dabei kam ich über die Erinnerungen darauf, dass ich wirklich sehr nach den Leistungen und der entsprechenden Anerkennung strebte, die ihn umgab. Dass ich sehr nach ihm und auch nach seiner Aufmerksamkeit griff. Und selbst nach seinem Tod war sein Abitur-Notendurchschnitt mein großes Ziel, für das ich wirklich kämpfte und auf das ich dann wirklich stolz war (als hätte ich das je gebraucht). Kurz überlegte ich sogar Maschinenbau „zu seinen Ehren“ zu studieren, weil er das auch getan hätte, wenn er sich nicht mit dem Auto in den Tod katapultiert hätte. Zum Glück ging ich andere Wege, aber nicht ohne große Felsbrocken zu bezwingen. Denn während ich jahrelang nach seinen Leistungen strebte, war ich mehr bei ihm als bei mir. Ich kannte mich nicht, war recht verloren und vielleicht hatte das großteils auch damit zu tun, dass ich mich nie fragte, was mich selbst eigentlich ausmachte. Für mich war das erstmalig eine spannende Erkenntnis, die meinen holprigen Weg ein wenig erklären könnte. Was ich mit dieser Erkenntnis im Gepäck nun tue, werde ich sehen…

Aber auch bei meinen Kindern mache ich interessante Entdeckungen dank der Auseinandersetzung mit den Geschwisterkonstellationen. Frau Klein ist so viel anders als ihr Bruder, wenn es um das Miteinander in der Familie geht. Ihre Art Aufmerksamkeit zu suchen ist eine ganz andere und wesentlich kreativer. Sie findet Wege und Mittel und man merkt ihr an, dass sie Strategien testet. Es spielt natürlich überall Charakter und Persönlichkeit mit hinein, aber ich denke auch, dass diese Geburtenfolge nicht unwesentlich ist. Mir hilft das einmal mehr zu verstehen, warum Kinder aus ein- und derselben Genmasse so verschieden sein können. Und es hilft endgültig mit den Vergleichen aufzuhören. Denn natürlich – obwohl ich weiß, wie giftig sie für die Geschwisterbeziehung sind und ich sie wirklich versuche nicht auszusprechen – sehe ich sie immer und wundere mich. Aber nun nicht mehr so sehr. Und das erleichtert mich auch ein wenig.

Letztendlich hilft es auch zu erkennen, dass man sich noch so sehr abstrudeln kann um es allen gleichermaßen recht zu machen, um fair zu sein und allen das Gleiche zu bieten – sie sind grundverschieden und wir können ihren Weg nicht für sie stricken und knüpfen. Sie gehen ihn. Unser Einfluss ist dabei begrenzt und wie es scheint, ist das auch gut so. Bleibt nur ihnen jegliche Liebe und Unterstützung zu geben und das tiefe Vertrauen, dass in ihnen alles steckt, was sie brauchen. Das klingt doch wunderbar einfach, oder?

Ich bin gespannt, was dieses Buch noch für spannende Entdeckungen für mich bereit hält. Obendrein ist es sehr unterhaltsam, weil Kevin Leman einen sehr witzigen Schreibstil hat.


„Die Nesthäkchen werde ich noch öfters aufs Korn nehmen. Ich darf das, weil ich selbst eines bin.“


In welcher Konstellation seid Ihr geboren? Seht ihr große Unterschiede zwischen Euch und Euren Geschwistern? Los, erzählt mir davon. Ich finde es spannend zu sehen, ob es passt, was in den Büchern so geschrieben steht. 

 

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Jennifer

    Passt total! Ich bin die Erste und hab noch 2 Geschwister. Mit 3 und 9 Jahren Abstand. Meine Schwester hatte es am schwersten und brauchte am meisten Aufmerksamkeit. Hat sich viel mit mir verglichen und Zeit gebraucht sich selbst zu sehen. Dabei ist sie ganz toll! Meine Mama war auch viel mit uns alleine und hatte es dadurch auch nicht leicht mit dem Wirbelwind. Mein Bruder ist am gemütlichsten. Macht so sein Ding ohne Druck und ist super offen.
    Insgesamt sind es natürlich nur Tendenzen, der Altersabstand macht sicher auch viel aus. Spannendes Thema!

  2. Stefanie

    Vielen Dank für den Buchtipp. Wirklich ein spannendes Thema. Schreibt er denn auch etwas über den Einfluss der Eltern dabei? Denn ich finde doch, dass ich (auch wenn ich das vor ein paar Jahren nie geglaubt hätte) meine 3 sehr unterschiedlich erziehe. Geprägt von den Erfahrungen von den Geschwisterkindern, bei einem Thema strenger beim anderen gelassener. Und beim dritten Kind versuche ich die Waage zu finden ;). Und bin selbst viel entspannter dabei. Ich denke doch, dass das Einfluss auf zumindest einige Verhaltensweisen der Kinder hat bzw. diese erklären kann.
    Ich bin übrigens die große Schwester mit den guten Noten (die aber bei all dem Lernen vergessen hat zu schauen, was sie nun wirklich interessiert) und meine 5 Jahre jüngere Schwester hat mir immer nachgeeifert. So langsam findet sie ihren eigenen Weg.
    Viele Grüße,
    Stefanie

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