Freudvolles Zähneputzen

zahnHerr Klein war heute beim Zahnarzt. Zum ersten Mal überhaupt. Das mag für manche recht spät erscheinen, vor allem gemessen an der Tatsache, dass die Zähne nicht nur alle schon da sind, sondern sich bereits wacklig wieder auf den Auszug vorbereiten. Aber Herr Klein hatte bis vor einem halben Jahr eine unglaubliche Arztphobie und war bis dahin genug weißen Kitteln begegnet, dass ich ihm das nicht auch noch antun wollte.

 
Heute aber war es soweit und das Ergebnis war durchweg positiv. Seine Zähne sind gut, es gibt keinen Handlungsbedarf und die wackligen werden noch eine Weile bleiben, weil sie noch sehr lange Wurzeln haben. Auch das Daumenthema hat sie angesprochen, da man bereits eine leichte Fehlstellung vorn sieht, die aber noch nicht bedenklich ist. Sie meinte, man könnte das Thema dann einmal angehen. Ohne Stress. Das hat mir sehr gefallen.

Was mich aber besonders freute, war die Tatsache, dass Herr Klein gute Zähne hat. Denn wir haben ihm nie die Zähne geputzt. Jedenfalls nie auf Druck, nie durch Machtkämpfe oder Zwang. Er hat sich vom ersten Zahn an seine Zähne selbst geputzt.

Das Zahnputzthema ist immer wieder ein großes, weil viele Eltern aus der Angst und Verantwortung heraus hier besonders akribisch sind. Sie wollen natürlich, dass ihre Kinder gesunde Zähne haben und beim Zahnarzt nicht leiden müssen. Abgesehen davon ist eine gesunde Zahnhygiene auch eine Grundlage für das Gesamtwohlbefinden des Körpers.

Ich fand den Gedanken jedoch, meinem Kind mit der Bürste von außen durch den Mund zu fahren, vor allem, wenn es sich dagegen wehrt, immer abstoßend. Und unnötig.

Zähneputzen ist auch Vorbildsache
Anfangs hat sich der Liepste immer mit Herrn Klein gemeinsam die Zähne geputzt, auch wenn er selbst noch gar nicht ins Bett gehen wollte anschließend. Weil sich die Kinder das natürlich von uns abschauen, weil sie das machen wollen, was wir tun und wie wir das tun. Auch heute putzen wir morgens noch gemeinsam die Zähne, abends putzen wir nicht mehr mit, sind aber noch dabei.

Zahnen tut weh
Solange ein Kind noch nicht alle Zähne hat, wissen wir nicht genau, welche Zähne gerade wo einschießen oder dabei sind durchzubrechen. Das ist ein schmerzhafter, unangenehmer Prozess, den wir alle durch schlaflose Nächte oder unrunde Tage kennen. Wenn wir uns vorstellen, wie es uns beim Zähneputzen geht, wenn wir eine Blase im Mund haben oder Zahnschmerzen, so können wir vielleicht nachvollziehen, wie es unseren Kindern geht, wenn wir ihnen die Zähne putzen, während sie zahnen.

Fremdkörper im Mund
Der Mund ist ein äußerst sensibler Bereich, die Schleimhäute sind sehr empfindlich. Es ist sehr sehr schwer hier ohne zu verletzen bei jemandem anderen im Mund herumzufahren. Vor allem bei Kindern, die nicht unbedingt still halten. Wie weit eine Zahnbürste in den Mund hinein kann, ist bei jedem Menschen unterschiedlich. Welcher Druck aufs Zahnfleisch gut tut, ebenfalls. Es gibt Experimente in Elternkursen, in denen sich Paare gegenseitig die Zähne putzen sollen. Sie sind dann oft entsetzt, wie schmerzhaft das ist, wie anders sich das anfühlt, wenn jemand anderer mit diesem Fremdkörper im eigenen Mund herumfährt.

Ich selbst habe eine große Zahnarztphobie und eine enorme Abneigung gegen Zahnpasta. Ich akzeptiere nur wenige Sorten und die auch nur in Maßen. Ich ertrage die Zahnbürste nur bis zu einem gewissen Punkt im Mund und nicht weiter. In der Schwangerschaft habe ich beim Zähneputzen oft würgen müssen. Vielleicht fällt es mir deshalb so leicht, mich auf die kindlichen Empfindungen einzulassen. Weil meine für viele Menschen auch so kindisch erscheinen.

Fragen statt Machen
Als Herr Klein dann älter wurde und mehr und mehr Zähne hatte, vor allem Backenzähne, die Zahnbürste jedoch nur ansatzweise die Lippen berührt hatte und dann zurück ins Waschbecken flog, habe ich manchmal gefragt, ob ich sie ihm nachputzen dürfe. Manchmal sagte er nein, manchmal ja. Ich folgte den Antworten entsprechend. Das führte dazu, dass er hin und wieder selbst vom Bad durch die Wohnung geflitzt kam und fragte, ob ich ihm die Zähne nachputzen könnte. Dabei war ich sehr vorsichtig und hörte sofort auf, wenn er sagte, es sei genug.

Gesundes Essen und Naturjoghurt
Natürlich hilft es auch, bei der Ernährung darauf zu achten, dass nicht allzu viele Süßstoffe an die Zähne gelangen. Und dass es nach dem Zähneputzen wirklich nichts mehr gibt. Weder fest noch flüssig. Im Kinderheim Loczy, das Emmi Pikler leitete, hat man den Kindern in den ersten drei Lebensjahren abends nur Naturjoghurt gegeben vor dem Schlafengehen. Die Zähne wurden erst geputzt, als die Kinder die motorische Fähigkeit dazu besaßen.

Heute hat Herr Klein eine elektrische Zahnbürste, mit der er selbst putzt. Wenn er ganz müde ist, müssen wir das für ihn tun. Es gibt fast nie den Unwillen oder ein Drama.
Der Liepste hatte hin und wieder Bedenken, dass Herr Klein die Zähne nicht gründlich genug putzt, doch jedesmal, wenn er dann begann Druck auszuüben, kam es zu einer Verweigerung oder wirklich hartnäckigen Unwillen.

Zähneputzen ist wichtig, daran zweifle ich nicht und das sehe ich an meinen eigenen Zähnen. Aber wenn es zu Machtkämpfen im Bad führt, dann zielen sie in die falsche Richtung ab. Dann entsteht ein Unwille, eine starke Abneigung gegen das Zähneputzen an sich. Die dazu führen kann, dass die Kinder, wenn man sie dann endlich sich selbst überlässt, dank dieser Freiheit, nicht mehr gründlich putzen.

Darüber hinaus haben wir nur bedingt Einfluss auf den Zustand der Zähne. Zahnsubstanz und Zahnstellung sind auch Erbsache. Es gibt Menschen, die sich nur unregelmässig und wenig die Zähne putzen, und dennoch keine Probleme haben. Es gibt die, die immer brav drei Minuten putzen, die regelmässig Geld für eine Mundhygiene ausgeben und dennoch kariöses Zahngut haben. Es liegt nicht nur an uns selbst und schon gar nicht nur an uns Eltern. Es liegt jedoch an uns unseren Kindern eine gute und gesunde Einstellung zu ihrem Körper zu ermöglichen. Und das geschieht nicht durch das Bestehen auf eigenmächtiger Zahnputzerei im Mund unseres Kindes, sondern durch eine gute Vorbildwirkung, durch die Vermittlung der Notwendigkeit einer guten Zahnhygiene und durch das Respektieren der Grenzen, die sie uns im Bezug auf ihren Körper aufweisen.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Liebe Nadine, langsam wird es mir unheimlich, bei Dir zu lesen. Denn immer passt es zu uns was Du schreibst!!!
    Diese Woche bin ich grad mal wieder alleine mit den Jungs und wir haben abends grad das volle Drama mir dem Winterkind (18 Monate). Mit Papa abends putzen ist gar kein Thema. Bei mir shit er schon ab wenn ich nur die Zahnbürste aus dem Becher hole. Er hat schon alle Zähne, der große Bruder putzt neben ihm, und ich putze da nach ohne Theater, aber beim Kleinen- keine Chance. Aber ich hatte auch keine Lust auf Machtkämpfe. Ich hatte aber wie Du schreibst schon auch ein schlechtes Gewissen. „Du musst doch dem Kund die Zähne putzen“. Ich hab es heute gelassen.
    Morgen Abend kann Papa wieder….
    Mir geht es aber auch so, ich hab 2 Sorten Zahnpasta die mich nicht würgen, Zähneputzen in der Schwangerschaft war echt übel… Schön, dass man nicht alleine damit ist! Und mal wieder danke für Deine Zeilen, jetzt gehts mir schon viel
    Besser!!!!!

  2. Rolf

    Das ist doch schön, das der kleine Mann den Termin super überstanden hat.
    Bei uns war es auch so. Unsere Kleine hat uns immer beim Putzen zugesehen und wollte dann auch. Dann gabs ne Kinderzahnbürste und Kinderzahnpasta, die ja gut schmeckt und ab gings. Jetzt ist es für alle ein gemeinsames Ritual und der Zahnarzt ist immer zufrieden.

Schreibe einen Kommentar