Erkenntnisse der Woche – Vom Sein und Sehen

IMG_3383Am Dienstag war ich mit Herrn Klein wieder bei der Sensorischen Integration. Was genau das ist, erzähle ich Euch an anderer Stelle,wenn ich das länger beobachtet und mich genauer damit befasst habe, um es in Worte fassen zu können. Jedes Mal, wenn wir nach dieser Stunde heimkommen, trage ich verknotet mit ein wenig Leichtigkeit eine neue Erkenntnis über mein Kind mit heim. Und ich frage mich, was dort so anders ist, was dort gemacht wird, dass ich dort so viel sehe, was ich zu Hause nicht sehe.

Aber es ist gar nicht das, was er dort macht oder die Pädagogin mit ihm gemeinsam. Ich bin es, die dort – genau genommen – nichts macht. Ich schaue nicht auf mein Handy, denn das liegt draußen in der Garderobe. Ich schaue nicht in den Laptop, denn der steht zu Hause. Ich höre keine Waschmaschine rufen und keinen Staubsauger leise hungrig wimmern. Ich unterhalte mich nicht, stricke nicht, lese nicht und bin auch sonst – und das ist wohl besonders zu bemerken – gedanklich völlig anwesend. Ich weiß, dass ich in der Stunde nichts anderes tun kann, als dort zu sein, und so denke ich auch nicht darüber nach, was ich anderes tun könnte. Ich bin einfach nur anwesend. Physisch. Und geistig.

Und so sehe ich mein Kind. Ausschließlich. Sehe, welche Freude er dort hat. Was er tut und wie. Was ihm gefällt. Worüber er lacht. Was ihm schwer fällt. Ich sehe ihn ausprobieren und ablehnen. Kommandieren und begeistert anderen Impulsen folgen. Und sehe und sehe und sehe so vieles.

Diese Erkenntnis hatte ich schon einmal. Vor ca. 3 Jahren. Als ich mit Herrn Klein einen Pikler Spielraum besuchte. Denn dort gab es auch nichts weiter zu tun, als zu sitzen und das eigene Kind in seinem Tun zu sehen und wahrzunehmen. Das war letztendlich dort ja auch ein „Grundprinzip“. Statt das Kind zu animieren, zu etwas zu überreden – das Kind in einer geeigneten Umgebung machen lassen und ihm dabei zusehen. Und schon damals habe ich diese Stunden dort genossen. Sie waren wie Erholung. Eben weil der Kopf frei war. Weil es nichts anderes gab in dieser Zeit. Weil diese Zeit fix uns gehörte.

Leider gelingt mir das im Alltag viel zu selten. Auch wenn ich da bin, so bin ich selten da. Ich denke an all die Dinge, die ich doch jetzt auch gleich machen könnte (mein Trilemma), überlege, was ich später machen werde, reagiere auf das Handy, das immer griffbereit ist, laufe dem Haushalt hinterher und bin letztendlich nie so da, um zu sehen, was es alles zu sehen gibt.

Vielleicht muss uns das auch nicht immer gelingen. Vielleicht genügt es, hier und da daran zu denken, wie erholsam, wie bereichernd solche Zeit ist. Und vielleicht schaffen wir es, so einfach öfter mit einer Tasse Kaffee nur da zu sitzen, ohne Handy, ohne Buch, ohne Haushalt und ohne Gedankenkarrussel. Die Kinder zu sehend.

Vor allem aber auch dann, wenn man irgendwelche Fragen wälzt. Wenn wir wo anstehen und nicht weiter wissen. Unser Kind nicht mehr zu verstehen vermögen. Dann hilft es einen Schritt zurück zu treten und einfach nur zu schauen. Beobachten. Aber ohne dabei akribisch jede Bewegung zu interpretieren. Frei sein. Von voreiligen Schlüssen und schnellen Meinungen. Frei von Erwartungen und inneren Vorgaben. Viel zu selten tun wir nämlich genau das. Was eigentlich so wenig ist, wenn wir es richtig tun.

Zwischen den Jahren ist immer so eine ruhige, so eine Zeit des Nichtsmüssens und Nichtstuns. Vielleicht gelingt es ja da mal wieder, einfach nur zu sein. Und zu sehen. Was wir sonst nicht sehen. Ich wünsche es mir.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. elisabeth

    wunderbare worte, die wieder mal genau passen… in die hektischen tage, wo ich alles noch fertig bringen will… und ein schöner vorsatz für die freien, ruhigen tage die jetzt kommen…. und das neue jahr :-)

Schreibe einen Kommentar