Erkenntnisse der Woche – übersehen

IMG_4142Frau Klein ist nun zwei. Das wurde gefeiert. Herr Klein war schon aufgeregt. Er wollte auch unbedingt mit mir den Kuchen backen am Abend vorher und durfte dafür länger aufbleiben. Er durfte auch am Geburtstag selbst zu Hause bleiben, damit er nichts verpasst (obwohl ja nichts groß geplant war). Und damit wir alle gemeinsam ohne morgendlichen Zeitdruck Geburtstagskuchen frühstücken können.

In der Nacht weckte Herr Klein um 1:30Uhr seine Schwester, ging mit ihr ins Wohnzimmer und zeigt ihr den hergerichteten Geburtstagstisch. Der Liepste war zum Glück schnell aus dem Bett und schickte die Kinder wieder in ihre Betten. Woraufhin Herr Klein weinte. Ab 6 Uhr morgens ging es weiter. „Darf ich Frau Klein wecken und ihr den Kuchen zeigen?“

Als Frau Klein dann endlich erwacht war, wir gesungen hatten und den Kuchen angeschnitten, lief Herr Klein euphorisch und völlig aufgezogen durch die Wohnung. Er zeigte ihr die Geschenke, führte alles vor und auch sonst war er kaum von einem Flummi zu unterscheiden. Dazu war er laut. Ich hatte noch nicht genug Kaffee und nachdem der Liepste ein paar Mal versucht hatte ihn zu beruhigen, schrie ich ihn an, er möge endlich „runterkommen“. Wohl weißlich, dass das eigentlich nur nach hinten losgehen konnte. Ging es auch.

Wenig später heulte ich das erste Mal an diesem Tag. Aus Wut und Frust darüber, dass der Tag so begann und lief, wie er lief. Und dass irgendwie keine Wendung zu sehen war, weil auch ich nichts mehr spürte als Grant und nicht mehr freundlich, nicht mehr nett, lieb oder sonst etwas anderes als genervt und gereizt zu sein.

Meine Hoffnung war zu Mittag eine kleine Wendung, Ablenkung durchs Mittagessen im Haus, eine Runde Austoben im Spielraum und dann Rausgehen. Aber zum Mittag heulte ich zum Zweiten Mal. Aus Verzweiflung. Weil sich nichts tat, nichts änderte. Und weil weder er noch ich aus diesem Tag und seiner Spirale herausfanden. Weil es schlichtweg nicht auszuhalten war.

Am Nachmittag biss ich irgendwie durch und schleppte die Kinder in ein unmögliches Kindermuseum, eine Art Indoorspielplatz mit abstrakt-modernem Museumsanspruch. Am Heimweg standen wir an der Bushaltestelle und die Kinder schauten müde und erschöpft, daumenlutschend ins Nichts, sah ich Herrn Klein an und heulte zum dritten Mal. Aus bitterer Traurigkeit, den ganzen Tag nicht einmal gesehen zu haben, was wirklich mit ihm los war.

Seine Schwester hatte Geburtstag, bekam neben Geschenken die volle Aufmerksamkeit. Und so sehr er sich bemüht hatte, sich darüber zu freuen, versteckte sich dahinter doch Eifersucht und Unbehagen. Wahrscheinlich für ihn selbst unerkannt und ungreifbar. Ein Zwicken, das er wahrnahm, aber nicht zuordnen konnte. Was es also gebraucht hätte, wäre ein einfaches Wahrnehmen gewesen. „Es ist schwer wenn die Schwester Geschenke kriegt und Du nicht. Wenn sich alles um sie dreht. Du magst auch Geburtstag haben, hm?“ Stattdessen fuhr ich ihn an, maßregelte und saß genervt im Abseits.

Gestern feierten wir den Geburtstag mit Freunden in kleinem Rahmen. Irgendwann zwischendrin baute Herr Klein unter seinem Bett einen Geburtstagstisch für Frau Klein mit drei großen Spielzeugautos, auf die er die Nachtlampe stellte, so dass es aussah, wie eine leuchtende Torte. Ich sollte unbedingt kommen und es mir ansehen. Und wäre am liebsten im Boden versunken vor Rührung und Trauer darüber, was ich übersehen hatte. Ich nahm ihn in die Arme, und sagte ihm, dass er ein sehr toller großer Bruder sei und dass sein Geburtstag nun der nächste im Kalender sei. Und fragte ihn, was er sich wünschte. „Hundertmillionentausend Geschenke!“

Eine Freundin – selbst große Schwester – sagte mir gestern, dass sie zu ihrer Mutter am Geburtstag ihres Bruders mal sagte: „Ich weiß, ich sollte mich freuen für den M. aber eigentlich bin ich nur traurig.“ Herr Klein hat diese Worte nicht, aber sollte er sie einmal finden und sagen können, so werde ich ihn doppelt in den Arm nehmen. Einmal für den Moment. Und einmal nachträglich für diesen einen versauten Tag im Jänner.

Wir sind oft versucht, diese Eifersucht zu stoppen, oder sie zu kompensieren. Manche schenken den Geschwistern auch eine Kleinigkeit, damit es nicht eskaliert. Ich möchte all das eigentlich nicht. Ich denke, was reicht, ist, wenn man zumindest wahrnimmt, was wirklich los ist. Dieses Mal habe ich das übersehen.

Ich wünsche Herrn Klein dann in 3 Monaten einen ganz wunderbaren Geburtstag. Und mir derweil hin und wieder ein bisschen früher die Erleuchtung.

Wie geht es Euren Kindern an den Geburtstagen der Geschwister ? Wie geht Ihr da mit Eifersuchtsszenarien um?

Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. Sandra

    Ich habe nicht wirklich Erfahrung mit Eifersucht an diesen Tagen, denn als die Tochter letztes Jahr sieben wurde war der Sohn nichtmal drei Jahre alt und eher in Ehrfurcht erstarrt als eifersüchtig… Und die Tochter war ihrerseits an seinen Geburtstagen meist schon als genug für Verständnis.
    Was ich aber sehr gut kenne ist das Gefühl ohmächtig zu sein, an Tagen die vermeintlich besonders schön werden sollen und dann aus dem Ruder laufen.
    Je mehr ich mich dann bemühe um Lockerheit desto schlimmer wird meine Ohnmacht, Enttäuschung und Wut.
    Vielleicht muss man sich selber vor solchen Tagen den Druck nehmen es noch besonderer haben zu wollen. Denn realistisch gesehen sind es ja nur wir, die den Bedarf sehen, Kinder sind mit weniger Aufwand und Stress viel glücklicher.
    Ich arbeite daran ;-)
    Lieben Gruß Sandra

  2. Jenni

    Herrlich ehrlich. Dankeschön!
    Fühl dich umarmt und verstanden.

  3. Frische Brise

    Ach Mensch, was für ein Tag! Ich hab beim Lesen einen Kloß im Hals gehabt.

    Du machst es doch toll, beziehst die Kinder mit ein, versuchst, es Euch schön zu machen. Und schlussendlich hast Du erkannt, was los war und das ist schon eine tolle Leistung, finde ich.

    Bitte gräm Dich nicht so.

    Ich versuche solche Tage so einfach wie möglich zu halten. Ich weiß, dass die Kinder aufgeregt sind und deshalb reicht da schon sehr wenig. Kuchen, Kerzen, ein Lied, das ist es schon. Mehr Aufregung will ich da gar nicht reinbringen.

  4. elisabeth

    ach, und mir stehen die tränen in den augen beim lesen… das kenn ich zu gut. danke für deine offenheit und ehrlichkeit – auch über deine gefühle. und ich find fast nichts schwieriger, als wenn eines der kinder und ich in der spirale sind und nicht mehr rauskommen….

    1. buntraum

      Danke liebe Elisabeth. Es ist wirklich mühsam manchmal, ich glaube auch, weil es eine Weile braucht, bis man merkt, sich in einer Spirale, die von beiden Seiten bedingt wird, zu befinden. Dann erfolgt eine kleine hilflose Starre, bis man wieder Energie hat sich zurück nach oben zu arbeiten. Bin froh, dass wir wieder auf dem Weg sind.
      Danken wollte ich Dir auch für Deinen Kommentar neulich. Dass ich, obwohl Du Dich zurückziehen willst vom Internet, von Dir gelesen werde. Danke danke danke! Und liebe Grüße!

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