Erkenntnisse der Woche – Spaß ist, was mir gefällt

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Wir waren heute in einer Hüpfburgwelt. Oder so etwas ähnlichem. Jedenfalls gab es einige verschiedene Hüpfburgen für die Kinder zum Austoben und Bänke für die Eltern zum Sitzen und Entspannen. Eine Hüpfburg war im Prinzip eine riesengroße Rutsche. Herr Klein kletterte die aufgepusteten Hüpfstufen hinauf, schaute sich die Rutsche von oben an und beschloss sofort, wieder herunterzuklettern. Nichts für ihn. Zu hoch. Zu unsicher. 

Er kletterte also diese unförmigen luftigen Stufen wieder hinab, vorbei an all den eiligen ungeduldigen Kindern, die nichts als hinauf und dann hinunter rutschen wollten. Unten angekommen beobachtete er noch einmal kurz das Treiben, kletterte dann doch wieder hinauf, schaute hinunter, drehte sich auf den Bauch und rutschte Füße voran hinunter. Ganz für sich. In seinem Tempo. Sein eigenes zu bestreitendes Wagnis.

Was wir in solchen Situationen nie tun ist anspornen oder motivieren. Es sind seine Grenzen, die er erkennt und die er ganz für sich akzeptiert. Schritt für Schritt ausweitet. Momente, in denen er spürt, was ihm (nicht) gut tut, was sich (un)wohl anfühlt, was er sich zutraut und was nicht.

Gerade in solchen ja doch eher ungefährlichen Gefilden, aber auch auf Spielplätzen oder Kletterparks erlebt man oft Eltern, die ihre Kinder da motivieren. „Na mach schon, ist doch nicht hoch.“ Gerade kleine Kinder, die noch kaum allein sitzen können, werden auf Rutschen hinauf geschoben und an Händen halten hinunter gezogen. Spaß auf Kommando. Es ist gut gemeint. Wir wollen unseren Kindern zeigen, was Spaß macht, was Spaß wirklich ist und wie sie ihn erleben können. Und am Ende wird applaudiert. „Super!“ „Bravo!“ oder „Siehst Du, war doch gar nicht schlimm!“ gerufen.

Was tun wir, wenn wir das tun? Wir motivieren unsere Kinder, ihre eigenen Grenzen zu überschreiten. Was Spaß ist, erfahren sie selbst. Tagtäglich aufs neue. Wenn wir sie die Welt selbst erkunden und ausprobieren lassen, was ihnen gefällt, wozu sie bereit sind. Erkennen lassen, was sie wagen wollen. Was auf lange Sicht dazu führen kann, dass sie ihre Grenzen gar nicht mehr kennen, sie nicht mehr wahr nehmen, nicht mehr ernst nehmen. Egal ob beim Klettern, beim Essen („Ein Haps geht noch!“) oder beim dicken Pulli („Zieh den an, Dir wird sonst kalt!“) – es ist wichtig die Kinder zumindest zu hören. Natürlich können wir ihnen nicht immer die Entscheidung überlassen. Schokolade zum Mittag, die Sandalen bei Schnee – das geht zu ihrem Besten nicht. Aber ihre ganz persönlichen Grenzen spüren zu lassen und zu tolerieren ist ein wesentlicher Schritt in der Entwicklung ihres Selbstwertgefühles. Sie merken so, dass sie in ihrem Empfinden ernst genommen werden und dass ihre Entscheidungen – auch wenn sie manchmal von denen zig anderer Kinder abweichen – in Ordnung sind.

Wir sind als Eltern oft besorgt, dass die Kinder etwas versäumen, von dem wir glauben, dass es wichtige, lustige und freudvolle Kindheitserfahrungen sind. Wir selbst haben dabei so einen Spaß, werden wieder ganz Kind und wollen das in den Augen unserer Kinder gespiegelt sehen. Und übersehen dabei allzu oft, dass sie ganz woanders, in einer ganz anderen – dennoch lustvollen, spaßigen – Welt sind. Und sich diese ganz allein aneignen. Was muss es für ein Gefühl gewesen sein, als Herr Klein heute zum zweiten Mal die Stufen hinauf geklettert ist, beschlossen hat, sich selbst zu überwinden und die Erfahrung zu wagen. Die leuchtenden Augen und das begeisterte nochmalige und nochmalige Klettern und Rutschen. Ein Spaß, den er sich selbst ausgesucht hat, selbst für sich erarbeitet hat. Und den wir dennoch mit ihm beobachtend und lachend geteilt haben.

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Und Schlussendlich, selbst wenn er nicht noch einmal hinauf geklettert wäre – auf einer Rutsche an anderen euphorischen Kindern vorbei zurück nach unten zu klettern, bedarf einiges an Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit. Etwas, was wir uns für unsere Kinder vor allem für später sehr wünschen und was wir bereits jetzt, in diesem jungen Alter entwickeln sehen können. Und was sie sich so in der Form hoffentlich erhalten werden.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Stefanie

    Hallo,
    so sehe ich das auch und übe mich seit einiger Zeit darin, mir in solchen Situationen jeglichen motivierenden Kommentar zu verkneifen. So eine ähnliche Rutsche gibt es bei uns auch, nur dass da keine Barriere zwischen Stufen und Rutsche ist – so kann er sich seine Rutschhöhe selbst aussuchen – zur Zeit rutscht er ab der Hälfte (und hat irre viel Spaß) und ich bin gespannt, wann er weiter klettert.
    Was machst du wenn dein Sohn blöd angemacht wird von den anderen Kindern? Rätst du ihm irgendwas, wie er reagieren kann? Unserem Sohn (4) ist sehr irritiert, wenn jemand es komisch findet, dass er sich nicht wie alle anderen verhält. Und wenn das Meckern der anderen heftiger wird, schreit, schubst oder flucht er.

    Ich wünsche euch eine schöne Woche,
    Stefanie

  2. Ramona

    Ich lese deine beiträge so gern. Es ist, als säße ich im gesprächskreis unseres Kindergartens, bekomme immer neue Einsichten und Impulse oder nochmal Erinnerungen an Themen, die ich schonmal gehört habe. Danke!

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