Elsa und Pippi – Und dazwischen Du

Heute bist Du vier Jahre alt. Vier Jahre Frau Klein. Vier Jahre Kichererbse. Vier Jahre unendlich große, willensstarke Herausforderung.

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An dieser Stelle könnte ich schreiben wie lieb ich Dich habe, wie lustig und kunterbunt Du bist, wie kreativ und zum Knutschen herzig. Ich könnte schreiben wie sehr ich Deine Art Bücher selbst zu erzählen liebe, Deine Bilder, die Du malst und die Selbstverständlichkeit, mit der Du uns von Deiner imaginären Freundin Marina erzählst. Ich könnte erzählen wie lustig Du es oft mit Deinem Bruder hast, wie gut Ihr Euch ergänzt, vor allem im Spiel und wie unterschiedlich Ihr beiden seid. Das wäre die Erzählung von der Pippi, die Du so sehr liebst.

Aber da wohnt noch die Elsa in Deiner Brust. Die, die es schwer hat, die nicht sie selbst sein kann und sich von der Welt unverstanden fühlt. Die eine Schwere in sich trägt und erst frei ist, als sie in ihrem einsamen Eispalast in den Bergen lebt. Die Elsa, an die man nicht heran kommt, die eine Welt aus Eis um sich herum geschaffen hat, die man nicht zu durchbrechen vermag. Ja, auch das bist Du. Und das bricht mir das Herz.

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Denn ich sehe, dass Dir die Elsa zu schaffen macht.

Du möchtest so oft so gern den Eiskönigin-Film schauen und musst nach kurzer Zeit abbrechen, weil Du es nicht schaffst, nicht aushältst. Dann schwenkst Du zu Pippi um und fühlst Dich wohler. Im Leben kannst Du leider den Film nicht einfach abbrechen. Kannst den kleinen Bruder nicht aus- und wegschalten, dessen Dasein Dich so oft verzweifeln lässt. Du kannst den großen Bruder nicht einfach wegdrücken, der es besser drauf hat sich ins Licht, in den Vordergrund und ins Geschehen zu rücken. Der mit seinem Schulstart, der Begeisterung fürs Lernen und Lesen stets Aufmerksamkeit bekommt, weil er uns mit seiner natürlichen Begeisterung ansteckt.

Zu oft stehst Du daneben, dahinter, im Schatten. Und wenn Du Dich zeigst, dann kommen Deine Gefühle mit. Und die entgleiten Dir oft so wie die Kräfte der Elsa. Dann bricht ein Eissturm aus Dir heraus. Dann tobst und wütest Du. Und ich verstehe Dich, spüre Dich so sehr und kann es doch so oft nicht greifen. Weil es anstrengend ist, weil es zehrt. Weil alles, was wir geben, nicht genug ist. Weil Du anderes suchst, was wir scheinbar nicht geben. Weil Du versuchst zu kompensieren auf Arten, die uns nicht gesund erscheinen und wir Dir daher Grenzen aufzeigen, die Du nicht erträgst. Die dann Dein Bild von der Unverstandenen, Ungeliebten bestätigen.

Dabei verstehe ich Dich. Manchmal zu gut. Weil Du mein inneres Ich bist, wir zwei uns ähneln, dass es weh tut. Mir das Leben mit den drei Kindern aber oft in die Quere kommt. Dann ist da wieder Dein kleiner Bruder, der mich braucht. Der Große, der etwas wichtiges zu melden hat. Und manchmal die ganz normale Erschöpfung meiner Rolle.

So bleibt mir nur Dir heute zu wünschen, dass sich die zwei Herzen in Deiner Brust bald wieder verschmelzen. Zu weder Pippi noch Elsa, aber zu der Frau Klein, die ganz wunderbar ist so wie sie ist. Wenn sie zufrieden und in ihrer Mitte ruhend einfach Kind ist, einfach Kichererbse, einfach groß und klein und kunterbunt. Ich liebe Dich ganz genau so, auch wenn es mir manchmal schwer fällt, das zu zeigen und Du unter Tränen rufst: Du sollst lieb zu mir sein! Ganz in mir drin bin ich das. Glaub mir.

Deine Mama

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. elisabeth

    oh, wie wunderschön, Nadine, und wie mich deine Zeilen rühren… wenn ich schriebe, könnten diese Zeilen auch an meine liebe Tochter sein, F., die sich zwischen ihren beiden Brüdern manchmal so unverstanden fühlt, und von mir so gern „am meisten geliebt werden will“…. das berührt mich sehr!!! lg, Elisabeth

  2. Kathrin

    Vielleicht ein Lis vom Mittelkindmädchen – auch meine große Tochter passt hier gut ins Bild.
    Zwischen dem großen Bruder und der kleinen Schwester macht die es sich manchmal etwas schwer.
    Vielen Dank für deine Worte.

  3. amberlight

    Wie schon so oft, bin ich beeindruckt, wie gut und klar du in Kinderseelen schaust – und wünsche der jungen Dame alles Gute zum Geburtstag.

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