Ein Jahr Mehrstufenklasse – ein Resumee

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Als wir uns vor mehr als einem Jahr für die Schule entschieden, in der Herr Klein heute ist, waren wir nicht sicher, ob das die richtige Wahl war. Es war aber auch klar, dass wir das bei keiner Schule vor Schulstart wirklich wissen würden. Was uns an dieser Schule begeistert hat war zum einen das heimelige Gefühl von Schule bei der Besichtigung und die Tatsache, dass es dort Mehrstufenklassen gibt.  Und deshalb haben wir ihn auch für eine solche angemeldet.

Das Konzept der Mehrstufenklasse hat mir zugesagt, weil ich es angenehm finde, dass die Kinder in ihrer Individualität Raum haben. So können die, die schneller lernen oder schon mehr können, als der Lehrplan vorsieht, einfach ein bisschen vorarbeiten mit den Kindern der nächsten Klassenstufen. Aber auch die, die etwas länger brauchen, sind dort gut aufgefangen. Zumindest habe ich mir das alles so vorgestellt.

Nun ist das Schuljahr fast um. Im Herbst beginnt für Herrn Klein das zweite Lernjahr in seiner Klasse, die Großen gehen und neue Kleine kommen nach. Mehr und mehr wird er hineinwachsen in dieses Gefüge.

Und wir sind rundum zufrieden mit diesem Modell, der Klasse, den Lehrerinnen und vor allem damit, dass Herr Klein sich unglaublich wohl fühlt in der Schule. Was mir im Bezug auf die Mehrstufenklasse besonders gut gefallen hat:

 

  • Die Eingewöhnung. Herr Klein war furchtbar nervös und hat am ersten Schultag sehr geweint. Am zweiten Tag kam ein Kind aus dem vierten Lernjahr am Morgen zu ihm gelaufen und hat gesagt: „Hey, du weißt ja noch gar nicht wo dein Spint ist! Komm ich zeig ihn dir!“ Und damit war die Eingewöhnung abgeschlossen. Von dem Tag an ging Herr Klein leichten Fußes in die Schule.
  • Das Lernen. Herr Klein hatte ja im Vorfeld im Kindergarten schon einiges gelernt an Zahlen und Buchstaben. Er tat sich leicht mit dem Stoff, der ihm nun begegnete und war vor allem recht bald von der Schreibschrift fasziniert. Er fragte einfach immer wieder die Großen und sie zeigten ihm verschiedene Worte. Das begeisterte ihn sehr und niemand bremste ihn darin. Das Lernen von den Großen hat einen gewissen Reiz, der ist anders als das Lernen den Lehrer*innen. Und die Großen? Die sind natürlich stolz und helfen gern. Sie fühlen sich dadurch doppelt groß. Gestern sagte ich zu Herrn Klein: „Hey, du hast ja die Mitteilung im Heft selbst geschrieben. Das haben doch bisher die Großen für dich gemacht!“ (das machen in der Klasse die Schüler und nicht die Lehrerinnen) – „Ja!“, sagte er. „Und nächstes Jahr kann ich den Neuen die Mitteilungen schreiben.“ Da sprach ein gewisser Stolz mit raus. Aber auch während des Tages machen sie Aufgaben und Übungen nebeneinander, fragen einander, kontrollieren einander.
  • Projektarbeiten und Referate. In Projektarbeiten haben die Kinder lernstufenübergreifend gearbeitet und sogar Referate erarbeitet und abgehalten. Das ging sehr gut, Herr Klein hatte Spaß daran und wollte dabei wenig Hilfe von uns. Bei den Buchreferaten konnte er sich bei den Großen abschauen, wie so etwas geht und hat auch das gut gemeistert. Sie wachsen so in ein ganz anderes Lernen hinein als ich damals. Das gefällt mir sehr gut.
  • Gleichgesinnte. Obwohl die Klasse bunt durchmischt ist, so sitzen doch häufig die jeweiligen Lernstufen beieinander. Sie haben sich als Gleichgesinnte.
  • Die Schere zwischen „Groß“ und „Klein“ ist nicht so weit offen. Die Großen sind stetig im Kontakt mit den Kleinen und sind ihnen wohlgesonnen. Es ist nicht so ein „Ihr nervigen Kleinen.“ Vielmehr habe ich das Gefühl, dass sie sehr gut miteinander arbeiten können aber auch in der Freizeit miteinander und durchmischt sind. So sind die Großen oft auch eingeladen bei Geburtstagen der Kleineren und umgekehrt.

Die richtige Entscheidung für das eigene Kind zu treffen ist in Sachen Schule sehr schwer. Hier wird viel unabhängig von uns geprägt. Hier heißt es Loslassen. Zutrauen und Vertrauen. Sein lassen. Das Konzept der Mehrstufenklasse würde ich für meine Kinder immer wieder wählen. Aber das sage ich, weil ich damit auch gute Erfahrung gemacht habe. Sehr wohl ist das Konzept für manche Kinder gar nicht so sehr geeignet. Und ganz bestimmt gibt es normale Regelklassen, die durch tolles Lehrpersonal super geführt werden und auch ein so freies und offenes Arbeiten ermöglichen. Und ganz sicher hatten auch wir Glück mit den Lehrerinnen und der Nachmittagsbetreuerin. Die sind allesamt sehr liebevoll, einfühlsam und auf die Kinder fokussiert. Sie machen sich alles mit ihnen aus und die Eltern sind – so lange alles gut läuft – außen vor. Für mich eine sehr angenehme Erfahrung.

In welchen Schulen oder Klassen habt Ihr Eure Kinder? Wie sind Eure Erfahrungen? Was haltet Ihr für besonders wichtig in den ersten Lernjahren? 

 

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Stefanie

    Wir haben uns auch für eine Schule mit Mehrstufenklassen entschieden (hier sitzt die Vorschule bis 2. Klasse in einem Raum und die 3. und 4. nebenan, verbunden durch einen gemeinsamen Aufenthaltsraum). Es gibt keine Hausaufgaben wie bei euch, keine Noten und sogenannte Lernzeiten wo jedes Kind an „seinen“ Aufgaben im eigenen Tempo arbeiten kann. Kontrolliert und messbar gehalten wird der Fortschritt durch einen mit dem Kind abgestimmten Wochenplan.
    Im Viertel hat die Schule einen sehr gespalteten Ruf. Wie das mit normabweichenden Methoden so ist. Aber ich denke, für unser Kind wird es gut passen. Solange das Verhältnis zum Lehrer stimmt.
    Puh. Nicht mehr lange bis zum Schulstart. Ich hoffe, es läuft so gut wie bei euch.

    Was ich für besonders wichtig halte? Hm. Die Neugier erhalten. Die Fähigkeit des Lernen-Wollens erhalten. Mein Kind saugt Wissen wie ein Schwamm, wie viele Kinder. Aber nur solange es von ihm ausgeht, ganz sicher nicht, wenn ich meine, ihm etwas beibringen zu müssen, haha.
    Und ich hoffe, dass die Kinder nicht zu Einzelkämpfern um Noten erzogen werden.
    Das Ziel sollte nicht sein „wie kann ich mit möglichst wenig Aufwand eine gute Note erhalten“ sondern eben das Erforschen und Entdecken der Welt. Wobei man dann selbst erkennen darf, welche Fähigkeiten einem noch fehlen. Oder welche man erstmal noch von den Großen oder einem Teampartner einholt.
    Das wäre schön. Wenigstens in der Grundschule noch.

  2. Stefanie

    Beim Zähneputzen noch eingefallen:
    Schön wäre auch, wenn die Kinder erkennen, dass sie mit den erworbenen Fähigkeiten auch etwas erreichen können, wirksam sein können, helfen können. Dass sie den Neuen die Mitteilungen schreiben, zum Beispiel. Oder ihnen die Aufgaben vorlesen können. Und dass man gemeinsam mit allen unterschiedlichen individuellen Fähigkeiten mehr erreicht als allein. … Gott, das klingt jetzt irgendwie tantenartig. Aber ich weiß noch, dass ich nach der Schule da stand und weder wusste, was ich kann, noch was ich will, noch was ich mit dem Schulkram jetzt anfangen soll. Bis dahin war meine Aufgabe nur gewesen, gute Noten zu schreiben – was ich getan habe.

  3. Jenny

    Unsere Große kommt nächstes Jahr in die Schule und ich wollte sie so gerne in eine Shcule stecken, in der es Mehrstufenklassen gibt. Gibt es hier leider nur einmal, und das ist nciht um die Ecke. Und das wichtigste: Ich höre fast ausschließlich negative Dinge über diese Shculform , von de rich in der Theorie eigentlich überzeugt bin. Schweres Thema, deshalb vielen Dank für den EInblick bei euch, den genauso habe ich mir das auch vorgestellt und es klingt ganz wunderbar! Liebste Grüße

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