Ein halbes volles Jahr

Miniklein ist heute 6 Monate alt. Ein halbes Jahr und dieses halbe Jahr war sehr dicht und sehr voll. Voller Emotionen. Voller Freude. Voller Lachen aber auch voll Suchen und Neuorientieren, es war voll von Ersten Malen und voller neuer Erkenntnisse im Familiendasein. Und heute, an diesem Tag 6 Monate nach der Geburt von Miniklein bin ich gefangen irgendwo zwischen unendlicher Glückseligkeit und einem halben Nervenzusammenbruch. 

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Miniklein ist alles, was man sich wünschen kann. Er strahlt von früh bis spät, ist grundsätzlich sehr zufrieden und vor allem eines: geduldig. Während ihn morgens gleich seine Geschwister begrüßen und erdrücken, ihn quetschen und sich um seine Gesellschaft rangeln, schaut er sich vorsichtig um und lacht mittendrin. Er lässt vieles zu und meldet sich erst, wenn ihm die Nerven durchgehen. Doch meistens sind meine schneller.

Aber so fröhlich und strahlend Miniklein ist, so anstrengend und zuweilen nervenaufreibend ist das Leben mit drei Kindern. Mit drei Kindern voll so unterschiedlicher Bedürfnisse. Mit drei Kindern, die alle an ihren eigenen inneren Baustellen werkeln und dazu ihren Platz in diesem Gefüge hier neu finden und halten wollen.
Herr Klein, der in einer Woche in die Schule kommt, der sich aus dem Kindergarten verabschiedet hat, dem die Zähne ausfallen und wackeln. Der aus allen Hosen und Pullis hinauswächst. Der heute Fußballer werden will und morgen Busfahrer. Und sich auf nichts mehr freut als endlich lesen zu können. Dem unendlich fad ist, dem sein Körper zu schwer ist, der sich an mich hängt mit dem Daumen im Mund und der nachts wieder in unser Bett gekrochen kommt.

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Frau Klein, die kleine und große Schwester gleichzeitig ist und damit klein und groß und bedürftig und selbständig alles durcheinander. Die das alles „GANZ ALLEINE!!!“ kann und entsprechend äußert und verzweifelt wütet, wenn es nicht geht. Die an der Windel festhält wie Gollum am Schatz und meine explosive Aufmerksamkeit in Kauf nimmt, weil sie jegliche Aufmerksamkeit sucht. Die Klarheit und Führung von uns vehement einfordert und uns sonst um die Ohren fliegt. Die in ihrer Vehemenz und Sturheit ganz meine Tochter ist und mich somit an den Rande des Wahnsinns treibt. Während ich innerlich Kind bin und mich so sehr in sie einfühlen kann, dass es mich zerreißt. Die manchmal einfach nicht mein Kind ist, sondern ein suchendes, hilfloses Wesen zwischen Welten.

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Miniklein, der ja nichts will als sich und die Welt entdecken. Der alles zu aufregend findet, um sich aufs Stillen zu konzentrieren. Der ein Organ hat, dass es mir die Ohren abreißt. Der den 10-Minuten-Schlaf perfektioniert hat, damit ich mich sicher nicht zu lange mit einer Sache beschäftige. Und der einfach nur lacht und strahlt, als wäre die Welt ein Ponyhof.

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Nun, leider ist die Welt kein Ponyhof, denn diese 3 verschiedenen Wesen wollen alle ihren Teil vom Kuchen, wollen alle gesehen und gehört werden. Wollen verstanden werden, egal, auf welche Art sie sich uns mitteilen. Und manchmal, da gelingt uns das richtig gut. Da fühle ich mich wie Supermom. Wie die Oberheldin, die hier alles im Griff hat. Da möchte ich den ganzen Tag die Kinder knutschen und schmeiße diesen Ponyhof. Und dann gibt es Tage wie heute. Da möchte ich morgens schon davonlaufen und mich irgendwo verstecken. Jemanden finden, dem ich die drei Kinder in die Hand drücken kann und in einen Wald gehen und laut schreien. Naja, und vermutlich muss das alles so und bleibt das alles so. Denn mit drei Kindern ist immer mindestens eins im Wandel. Irgendwo ist immer was los innerlich und Veränderungen stehen an. Für den Moment wünsche ich ihnen und mir, dass wir bald, wenn diese Ferien geschafft und wir alle in einen neuen Alltag gefunden haben, wieder mehr zur Ruhe kommen, uns mehr wieder finden, unsere Plätze finden und dort weilen können. Ich wünsche uns, dass wir dann alle wieder mehr vom Kuchen abbekommen und die Kommunikation wieder mehr mit Worten als mit Jammern, Weinen, Windeln oder Beißen funktioniert.

Aber fest steht, dass die Momente, in denen ich meine Kinder von außen, unbeobachtet und ganz heimlich sehe, mich an ihnen erfreue, beglückt bin, sie über alles liebe, so, wie sie sind. Dafür, dass sie sind, wie sie sind und sich nicht verstellen. Dass sie laut und klar sind. Und leise und zart. Dass sie mich fordern und zwicken und mir selbst meine eigenen Grenzen aufzeigen. Und mir immer wieder klar machen: Jedes Kind ist anders. Jeden Tag. (Lienhard Valentin). Und Du Miniklein, du bist noch anderer. Und dafür wirst Du heute noch ein paar Extra Knutscher bekommen. Zum halben Jahr. Und dafür, dass Du da bist. Hier bei uns und mittendrin im Leben. Denn das ist einzigartig und ganz wunderbar. Und dreifach schön.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Sandra

    Dieser Text spricht mir aus dem Herzen, auch wenn es bei mir nur 2 Kinder sind. Besonders dein Verhältnis zu Frau Klein scheint ähnlich zu sein wie bei mir und meiner Großen. Dem Miniklein und euch wünsche ich einen wundervollen 6 Monatstag <3

  2. elisabeth

    ah, wundervoll geschrieben, so schöne bilder dabei – und bei ziemlich jedem Satz nicke ich innerlich und hab Tränen in den Augen… danke wieder mal, dass du uns so an eurem Leben und an deiner Innenwelt teilhaben lässt… es ist schön, und tut gut zu lesen… und der „Positivismus“, das Dankbarsein trotz allem, das tut auch gut! :-)

  3. amberlight

    So treffend zu schreiben (und zu fühlen) ist eine besondere Gabe und – wie so oft – reflektiere ich dabei den Umgang mit meinen eigenen Kindern. Auch da wackelt beim Schulkind Zahn und Seele und das Kindergartenkind kommt langsam an ….

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