Ein ganz normaler Tag

You are currently viewing Ein ganz normaler Tag

Stell Dir vor Du kommst morgens ins Büro. Im Kopf noch halb im Bett, eine fahle Mischung aus Zahnpasta und Kaffee im Mund, blitzen sich schon erste Gedanken an die drei Projekte ins Gedächtnis. Die endlose ToDo Liste, die sich wieder präsentieren wird.

Auf dem Schreibtisch lauert schon der erste Schrei. Ein Stapel Papiere mit einem rot beschrifteten Zettel vom Chef oben drauf. „Korrekturen bitte bis 9Uhr auf meinem Schreibtisch!“ Hallo Montag! Ein Kaffee vorab wäre fein gewesen, doch dazu ist jetzt keine Zeit. Während der Computer träge in den Tag surrt, klingelt das Telefon. Um die Uhrzeit, haben die Leute kein Zu Hause? „Ja bitte?“ – „Grüßi, wir brauchen dringend ein paar Änderungen…. blablabla.“ Ein Schwall an Aufgaben für Projekt 2, die den Vormittag vernichten, kracht Dir entgegen. Du nickst ins Leere und drehst den Zettel vom Chef in der Hand. Eins nach dem anderen. Was für ein niedlicher Vorsatz. Der Computer erwacht. Er spuckt ein Email nach dem anderen aus. Projekt Nummer drei ruft. Eine spontane Sitzung. Um 9. Darauf vorzubereiten ist sinnlos. Denn bis dahin will ja der Chef… Und nebenbei muss sich Projekt 2 ausgehen.

Du wirbelst. Sprintest mit der Uhr um die Medaille im Multitasking. Um 9 hat der Chef halbherzig die Korrekturen liegen. Ein Danke wäre zu viel verlangt. Du eilst in die Besprechung. Mittendrin klingelt viermal Dein Handy. Projekt 3 will wissen, wie es vorangeht. Du spürst das dringende Bedürfnis aufs Klo zu gehen. Später. Keine Zeit jetzt. Ein Zettel voll Notizen und der verlorenen Erinnerung an die Projekt 2 später geht’s zurück an den Schreibtisch. Hunger? Da liegen noch irgendwo alte Keksreste in der Schreibtischschublade. Mit etwas Glück sogar mit Schokofüllung. Trockene Futzel bröseln auf dem Weg zum Mund den Ausdruck für Projekt 3 voll. Die für Schokolade verschmiert wichtige Notizen. Alles egal. Kaffee muss her. In der Teeküche quatscht Dich ein Kollege an. Du lächelst müde, nickst abwesend und betest die Kaffeemaschine aufzuwachen.  „ist doch verrückt sowas, oder?“ fragt der Kollege. „Jaja, schlimm sowas.“ sagst Du, denkst „Get a life!“ und gehst. Platzierst den heißen Kaffee auf dem Schreibtisch und schickst die Papiere erneut durch die Kabel Richtung Drucker. Das Telefon klingelt. Du hebst ab, schwungvoll. Und der heiße Kaffee… Manche nennen das Kunst. Beim Versuch zu retten was zu retten ist stürzen die sortiert aufgestapelten 17 Ausdrucke der Präsentationsmappen von Projekt 2 Richtung Boden. Irgendwas zwischen Amoklauf, hysterischem Lachanfall und Südsee summt durch Deinen Kopf. Hinten drohen Kaffeetropfen in die Steckdosen zu rinnen. Schnell aufgewischt. Den Feind besiegt. Den Kopf an der Schreibtischkante angeschlagen. Sternchen. Tränen. Da steht der Kollege von Projekt 3 vor Dir. Das Protokoll der Besprechung. Achja. Das Telefon klingelt.

Mittag fragen die Kollegen „Kommst Du mit? Wir probieren das neue Lokal da…“ Dein Blick verjagt sie vorzugsweise in ein neues Lokal in einer neuen Stadt auf einem neuen Planeten….

Projekt 2 ruft an. War das Telefon eigentlich schon immer so laut? Nicken. Lächeln. „Natürlich, natürlich.“ Alles kein Problem, der Chef schickt rot markierte Emails zu Projekt 1. Der Nachmittag nimmt seinen Lauf. Kurz vor Feierabend fällt Dir auf, dass Projekt 3 schon lange sehr ruhig ist. Da findest Du die Papiere dazu hübsch knittrig verstaut im Drucker, statt in der Post und ein Amoklauf klingt gar nicht mehr so abwegig.

Ich habe ja schon lange in keinem Büro mehr gearbeitet. Aber mit Projekt 1 sieben, Projekt 2 fünf und Projekt 3 zwei Jahre alt, fühlt sich ein Tag zuweilen exakt so an. Auf in eine neue Woche!

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Creative Nachteule

    Herrlich, toll geschrieben liebe Nadine. Ich lese so gern bei dir. Danke für die vielen
    Artikel. Aus jedem nehme ich was für mich / unser Familienleben mit.

    Büro und Projekte waren früher …
    Heute sind meine drei Chefs auch 7,5 und fast 2 und es geht von morgens bis abends rund.
    Seit 15 Minuten hab ich Kinderfeierabend und mache den Masterplan für die nächste Woche.
    Projekt 1, Projekt 2, Projekt 3 und mein Projekt Arbeit.

    Am Abend bin ich momentan froh wenn die Mindest-Erledige-mich-Liste spirch Hausaufgaben & sonstige Schulsachen, Kinder abholen, Wäsche, Küche und der restliche Organisations & Bürokram für meine 20 % Stelle geschafft sind.

    Meist ist irgendwo noch was zu tun … und noch wahlweise eine Nacht oder Frühschicht dranzuhängen ist um nachzuschaffen was tagsüber einfach nicht zu schaffen ist. Siehe
    dein Artikel irgendwas ist immer Mama schnell, Mama komm, Mama ich brauch dich.

    Ich liebe & brauch sie au und würd sie nie und nimmer gegen meine 50 Std. Stelle aus meinem früheren Leben eintauschen wollen. Aber manchmal denk ich so von 8 – 12 Uhr, in Ruhe Mittagessen, 13 – 16.45 Uhr hätte was und danach Feierabend hätte was aber meist nur kurz.
    Für Tagträumereien bleibt momentan wenig Zeit sonst dreht Projekt 3 die ganze Bude auf links ;-)

    Nächtliche Grüße

    1. amberlight-label

      Gernec gelesen und geschmunzelt. Genau deshalb mag ich trotz Projekt 1, 2 und 3 auch weiterhin parallel dazu das (bitte nicht so hektische) Büroleben, denn das konzentrierte arbeiten und in Ruhe Mittagessen ist für mich eher ein Ausgleich ….

Schreibe einen Kommentar