Donnerstagsrealitäten :: Wenn der Faden durchglüht

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Der Tag war gut. Richtig gut. Es war der erste zurück im normalen Alltag. Der Liepste hetzte in der Früh mit den Kindern aus dem Haus. Er fand das Schloss für den Roller nicht, ich warf es vom Balkon wobei der Schlüssel zerbrach. Und dann lachte er mich höhnisch an: der Küchentisch. Vollgebröselt, fleckig, klebrig. Milch, Butter, Käse, Marmelade, Müsli. Miniklein zupfte an meinem Bein und überredete mich, dass er jetzt wichtiger sei. Klar war er das, mit seinem Schlafanzug, am linken Fuß ein Schuh, übergehende Windel… Also ging ich ihn wickeln und wir lachten und kicherten.

Und ich beschloss: Alles würde gut werden. Wenn ich nur ein paar Dinge beachten würde.

  1. Miniklein und ich – das muss ich jetzt noch genießen. Das ist noch unsere Zeit.
  2. Struktur ist alles. Wenn Struktur da ist, dann kann ich nebenher auch ein paar To Dos schupfen
  3. Achtsam sein. Kleine Momente genießen. Auftanken. Kaffee einschieben. Gut auf mich achten.

Und so ging dieser Tag gut dahin. Ich kugelte mit Miniklein durch den Spielraum. Ich plante Gerichte für meinen morgigen Kochdienst im Haus. Ich trank Kaffee mit Nachbarn. Ich arbeitete gut während Miniklein lange schlief. Wir holten Herrn Klein von der Schule ab, Frau Klein war bei einer Freundin. Alles war gut.

Zum Abendessen waren alle Kinder wieder da. Und damit auch der Lärm. Streiten. Bedürfnisse durch den Raum fetzen. Müdigkeit austoben. Alles innerhalb von 5 Minuten. „Schluß!“ rief ich. Und spürte – ganz tief in mir drin: Hier ist aus. Hier geht’s nicht weiter. Hier muss Pause sein.

Mist, dachte ich. Der Tag war so gut und jetzt knallst du durch. Ich holte Luft. Ich schloss die Augen. Nein, merkte ich. Das war nur die notwendige Bremse. Der Tag war gut. Zu gut. Alles lief glatt. Aber der Tag forderte mich auch. Er lief ja nicht einfach so gut. Es kostete Anstrengung geduldig zu sein. Anstrengung, um achtsam zu sein. Anstrengung, um den Erzählungen der Kinder zu folgen. Anstrengend, die eigenen Bedürfnisse irgendwo reinzuquetschen.

Und so war der Tag anstrengend, aber gut. Gut anstrengend. Dass ich am Ende die Geduld verlor, gehört zu mir. Das bin ich. Und dass ich irgendwann durchglühe, wenn zu viele Stimmen ihre Bedürfnisse lauthals an mich richten. Letztendlich bin ich hochsensibel, empfindsam und unentspannt was Lärm betrifft. Vor allem in Kleinkindertonlagen.

Also vielleicht habe ich heute noch gelernt, dass ich den Faden beobachten muss. Dass ich bremse, sobald er beginnt zu glühen und nicht erst, wenn er durchgeglüht ist. Das bedeutet: Selbstbeobachtung. Gute Selbstwahrnehmung. Mich selbst gut kennen. Ach, was freue ich mich auf den MBSR Kurs nächste Woche. Und jetzt: Feierabend.

Woran merkt Ihr, dass Eure Fäden durchglühen? Wann ist bei Euch oft Aus mit Geduld und Achtsamkeit? Erkennt Ihr das rechtzeitig? Was tut Ihr dann?

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Isabella

    Danke dir für diesen ehrlichen Text. Ich kann das sehr gut nachfühlen. Mir geht es ähnlich. Wenn zu viele Anforderungen da sind dann wird es irgendwann zu viel und ich werde laut.

    Meist spüre ich schon vorher immer wieder, ich würde jetzt eine Pause brauchen (eine echte mit Ruhe, wo mich niemand anspricht und wo auch nicht die Möglichkeit besteht, dass jemand etwas von mir brauchen könnte). Da das oft nicht geht mache ich weiter bis es eben „zu spät“ ist und ich explodiere.

    Am schlimmsten ist es wenn ich unbedingt möchte, dass alles optimal läuft. Wenn ich es schaffe zu akzeptieren, dass ich eben gerade wütend bin oder eine Pause brauchen würde und das im Moment nicht geht, dann fühlt es sich ein nicht mehr so tragisch an. Der gesunde Abstand zu meinen Gefühlen fehlt mir da oft.

    Den Achtsamkeitskurs habe ich auch besucht und die Übungen bzw Ansichten sind sehr hilfreich. Ich lerne immer mehr auch die unangenehmen Gefühle zu akzeptieren. Ich wünsche dir viele hilfreiche Inputs und ganz viele achtsame Momente.

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