Die Pikler-Pädagogik und Ich

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Nächste Woche kann ich endlich das letzte Modul des Pikler-Grundkurses nachholen. Dann habe ich den fertig und somit einen großen Brocken der komplexen gesamten Ausbildung geschafft. Dafür sollten wir in 1-2 Seiten darlegen, was uns die Pikler-Pädagogik bedeutet, wie sie uns beeinflusst (hat) und wie wir sie mitteilen. Das möchte ich gern hier teilen, weil sie doch wesentliche Grundlage, ja eigentlich sogar Ursprung meiner Arbeit ist, ich immer wieder danach gefragt werde und weil ich auch noch immer glaube, dass sie sehr häufig missverstanden wird. 

Die Pikler-Pädagogik und Ich

Als ich das erste mal von Emmi Pikler erfuhr, hatte ich keine Ahnung, wie sehr sich dadurch mein Leben ändern könnte. Nachdem ich mich kurze Zeit mit ihr und ihrer Pädagogik beschäftigt hatte, wurde mir immer klarer, dass sie all das zu beinhalten schien, was ich in meiner Kindheit unbewusst vermisst hatte. Respekt, Empathie, Zutrauen, Vertrauen. Und – wie mir die alte Fotos zeigen – auch die freie Bewegungsentwicklung. Ich versank immer tiefer in den Inhalten dieser Pädagogik und war überzeugt, dass es die einzige „Methode“ sein konnte, nach der ich meine eigenen Kinder erziehen wollen würde. Sie schien logisch und klar, gleichzeitig einfach und natürlich. Natürlich wurde ich recht bald überrannt von der Realität und merkte, dass nicht alles so einfach war, wie es schien. Und mir ging auch die Klarheit darin hin verloren. Doch ich blieb auf dem Weg, denn ich lernte, dass nicht ich es war, die hier schwankte, sondern die Nachwirkungen meiner Vergangenheit. Mein innerstes Ich, meine eingebauten Muster, meine Erfahrungen. Und ich begann zurück zu schauen, zu reflektieren und nach vorn zu integrieren, was ich sah und lernte. Und so wurde die Pikler-Pädagogik nicht mehr nur eine Methode, die ich anzuwenden versuchte, sondern ein Lebensstil, der mich formte. Dem ich folgte und der mich gemeinsam an und mit meinen Kindern, aber auch meinem Mann und meinen Freunden wachsen ließ. Der genau das ständig tut, mich ständig fordert, mich aber auch immer wieder erdet, mir zeigt, was wirklich wichtig ist. Der mir nicht nur viel abverlangt, sondern auch zurück gibt. Nicht nur im Wesen und Sein meiner Kinder, sondern auch in mir selbst. Und ich bin überzeugt, dass es nie aufhören wird, dass ich nicht eines Tages „am Ende“ damit sein werde, alles wissen werde und all dieses Wissen immer richtig anwenden werde. Sondern dass es immer wieder neu wird, weil es eben keine Methode ist, sondern eine innere Sprache. Die ich lerne, die ich anwende, aber die formbar ist. Immer und immer wieder neu. Individuell und spezifisch. Kein Rezept auf Gebühr.

Die Pikler-Pädagogik zu beschreiben fiel mir immer wieder schwer. Weil sie eben keine fünf Grundprinzipien hat, die man aufsagen kann. Weil sie nicht nur die freie Bewegungsentwicklung oder das freie Spiel, den Dreiecksständer oder den Wickelplatz beinhaltet. Weil sie nicht ganz oder gar nicht ist. Sondern weil sie eben diese Sprache ist, die jeder lernen kann. Aber jeder in seinem Dialekt. Angepasst auf seine Bedürfnisse in seiner momentanen Situation. Und so mag es gewisse grammatikalische Regeln und einen Satzbau geben, aber der Rest scheint frei. Flexibel und dehnbar.

Heute bin ich an einem Punkt, an dem ich merke, dass die Pikler-Pädagogik ein ganz normaler Teil meines Lebens, meines Seins ist. Eben meine Sprache, mein Lebensstil, integriert in alles andere, was mich in meinem Leben geformt hat. Weil hier alles Raum hat, und weil sie auch ein Loslassen lehrt. Von alten Vorstellungen, von inneren Mustern. Und von Ideen und Gedanken, die wir lange trugen, die aber nun Raum machen für anderes.

Anfangs war ich missionarisch. Jedem wollte ich von Emmi Pikler und ihren revolutionären Gedanken erzählen. Verlor und verstrickte mich dabei eben in genau diesen scheinbaren Prinzipien, war stur und starr und unflexibel. Ich stritt und rechtfertigte, was ich nicht zu rechtfertigen im Stande war. Weil ich selbst noch nicht so weit war und nicht erkannt hatte, dass es keine Methode zu verteidigen gab. Heute weiß ich, dass ich niemanden missionieren kann und will. Ich habe Wege gefunden, die Pikler-Pädagogik mitzuteilen. Auf meinem Blog, in meinen ständigen Erzählungen aus dem Alltag mit den Kindern und aus meinem Leben generell. In Gesprächen mit Menschen, die gezielt fragen. All das auf eine Art und Weise, die ich erst lernen musste. Das Schreiben von Worten in Achtsamkeit und Zurückhaltung. In klarer Impulsgebung ohne dogmatischer Verteidigung. Indem ich immer wieder versuche zu erzählen, anstatt zu belehren. Geschehnisse in Zusammenhänge setze mit Gedanken und Ansätzen, aus denen sie her rührten. Ohne diese Ansätze überzustülpen. Energiesparender bin ich geworden in der Mitteilung der Pikler-Pädagogik. Ich genieße die Gespräche, die ankommen. Die aufgesogen werden, verliere mich gern in Fragen, die mir zugetragen werden auf verschiedenen Kanälen. Aber ich streite nicht über richtig oder falsch, schwarz oder weiß. Ich setze Impulse, wo ich einen Funken sehe, der überspringen möchte, aber ich schweige an Orten, an denen ich verschlossene Türen sehe.

Ich bin bereit noch weiter zu lernen und zu wachsen. Mich weiter zu formen. Ich freue mich auf die weitere herausfordernde Arbeit in und mit der Pikler-Pädagogik. Und bin dankbar, diesen Weg nicht nur gezeigt bekommen zu haben, sondern ihn auch gewagt habe zu gehen. Weiter geht’s.

Der nächste Schritt sind nun die Spielräume nach Emmi Pikler, die ich ab Herbst hier in Wien anbiete. Was noch folgt? Ich bin gespannt.

Habt Ihr Fragen zur Pikler-Pädagogik? Gedanken, die Ihr schon immer mal teilen wolltet? Habt Ihr Wünsche, wozu ich doch mal ausführlicher Bloggen könnte im Bezug auf diesen Ansatz und all die Inhalte? Ich freue mich auf Fragen und Impulse.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Katharina K.

    Da ich mich damit gerne näher befassen würde: Kannst Du ein Buch zum Einstieg empfehlen?

    Lieben Gruß und einen guten Start in die neue Woche!
    Katharina K.

  2. blumenpost

    Hach ich würde dich so wahnsinnig gern kennenlernen.
    Ich danke dir sehr für alle diese Blogartikel, mich inspiriert das sehr. Im Alltag mit meinen Kindern denke ich sehr oft an das was du schreibst und mir hat das in vielen Situationen schon geholfen. Danke dafür.

  3. Stefanie

    Oh ja, ein Buch zum Einstieg würde mich auch sehr interessieren. Bisher kenne ich eben nur diese Spielräume und dachte schon immer, dass da doch mehr dahinter stecken muss. Leider konnte es mir bisher keiner erklären.
    Ich wünsche dir viel Erfolg mit deinem Spielraum (er ist leider viiiel zu weit weg von hier).
    Stefanie

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