Beziehungsweise

Achtung – dieser Blogpost ist aus Frauensicht geschrieben und nicht gegendert. Er kann aber genau so umgedreht werden und von Vätern an Mütter gerichtet sein. Denn zu einer Beziehung gehören beide gleichermaßen.

Der Liepste und ich 2010 bevor ich überhaupt schwanger war
Der Liepste und ich 2010 bevor ich überhaupt schwanger war

Gestern kam auf Twitter die Frage nach Beziehungsblogposts auf. Es gibt unzählige Familienblogs. Es wird über das Familienleben fotografisch genauestens gebloggt. Ganze Bücher könnte man damit füllen werden damit gefüllt. Doch nicht nur gibt es nur wenige Väterblogger (zumindest solche, die über ihr Vatersein bloggen), auch die Mütter reden auf ihren Blogs sehr wenig über ihre Beziehungen, ihre Partnerschaft und alles, was diese mit sich bringt. 

Warum ist das so? Warum wird da so wenig drüber gebloggt? Ist es zu intim? Kann das möglich sein, wenn ganze Geburtsberichte offen dargelegt werden. Wenn wir unsere Brüste stillend der Öffentlichkeit präsentieren, die Stoffwindelpopos unserer Kinder. Ihre Ängste, Sorgen und Kullertränen beschreiben und analysieren. Wie kann es da zu intim sein, über das, was die Familie genau so betrifft wie die Kinder und das Elternsein, zu reden? Viel mehr noch halte ich es für besonders wichtig darüber zu reden. Und ich habe auch schon öfter darüber nachgedacht das zu tun. Doch manchmal habe ich das Gefühl, dass wir keine repräsentative Familie sind. Mir wurde schon einmal gesagt ich würde so oft nur über das Gute, das Positive, über das, was bei uns so toll läuft, berichten. Wie kann ich dann also noch davon erzählen, dass auch meine Beziehung zum Liepsten liebevoll und wertschätzend ist? Dass wir uns als Paar sehen und wahrnehmen? Dass wir uns das Elternsein so weit es geht gut aufteilen?

Doch gestern ist mir klar geworden, dass es deshalb vielleicht gerade so wichtig ist, davon zu reden. Weil es nämlich – so scheint es oft in den sozialen Medien – nicht überall so ist. Und das obendrein scheinbar auch noch verschwiegen wird. Obwohl ich nicht glaube, dass es verschwiegen wird. Ich glaube, die Tatsache, dass nicht darüber gebloggt wird, zeigt zwei wesentliche Dinge:

Unsere Kinder nehmen einen viel höheren Stellenwert ein.
Das halte ich für normal, aber auch fatal. Natürlich rücken sich unsere Kinder und alles, was mit ihnen zu tun hat, in unserem Alltag auf die Poleposition. Sie machen dies deutlich lauter hörbar und spürbar und sind in vielen Dingen noch so abhängig von uns, dass wir sie gar nicht einfach sich selbst überlassen können. Das ist der Lauf der Dinge und legitim. Das darf nicht nur so sein, das muss auch so sein. Und ich glaube auch nicht, dass es fatal ist, dass die Beziehung zum Partner somit eine Weile, einige Jahre auf den zweiten Platz abfällt. Das passiert und ist womöglich unumgänglich. Fatal finde ich, wenn sie auf dem zweiten Platz einsam sitzt, keine Beachtung erfährt und verkümmert. Wenn sie nur mehr als Mittel zum Zwecke gesehen wird – Aufteilung der Einkommen, Arbeitsaufteilung, weitere Kinderzeugung, Verdrängung der Angst vor Einsamkeit oder Alleinerziehung. Eine Beziehung auf den zweiten Platz zu rücken kann problemlos funktionieren, wenn sie dennoch gesehen und wahrgenommen wird. Wenn die Tatsache angesprochen wird. Darüber gesprochen wird, wem was fehlt und wie damit umzugehen ist. Wenn gegenseitig Vertrauen, Geduld und Wertschätzung vorhanden ist. Das ist nicht immer leicht und es kostet Energie, die aufzubringen, ebenso herausfordernd ist. Womöglich die herausforderndste Aufgabe in der Beziehung unter Eltern. Aber eben auch eine der wichtigsten.

Den zweien Grund, den ich sehe, weshalb so wenig über Beziehungen gebloggt wird, ist der:

Über die Beziehung zu bloggen hieße, sich mit der Beziehung auseinander zu setzen. 
Viele Beziehungen, nicht nur die von Eltern, gehen ein, weil man sich davor scheut, sich auch in schwierigen, langatmigen und zähen Zeiten miteinander und mit den gegenseitigen Bedürfnissen auseinander zu setzen. Probleme anzusprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Und das auch noch auf einer liebevollen, wertschätzenden Ebene. Die Blogposts, die wir über unsere Kinder schreiben, helfen uns meistens selbst auch ein gewisses Detail, ein Problem oder ein Erlebnis zu reflektieren, darüber nachzudenken, zu analysieren. Das in einer Beziehung zu tun, bedarf die Bereitschaft dazu, die Energie und auch den Umgang mit den Konsequenzen daraus. Es der Welt zu erzählen mag eine Sache sein. Was aber, wenn der Partner den Blog liest und somit auch unsere Gedanken über die Beziehungen? Müssen wir dann mit ihm reden, machen wir uns da nicht völlig nackt? Wenn unsere Kinder einmal unsere Blogs lesen, können wir uns vielleicht rausreden mit „Das war damals.“ oder „Ich wusste nicht besser.“ Aber unseren Partnern können wir nicht vormachen, dass wir heute anders denken als gestern.

Was kann man also tun?

Auf Twitter lese ich oft Tweets von Frauen über ihre Männer, da dreht sich mir ganz ehrlich der Magen um. Da frage ich mich, warum sie mit diesem Mann zusammen leben. Nicht, weil ich ihn für so schlimm oder schlecht halte, sondern weil aus diesem einen Tweet so viel Unmut, so viel Ärger, Frust und Wut spricht. Das gehört nicht in die Welt hinaus geblasen. Nicht, wenn es nicht auch mit dem Partner besprochen wird. (Im Übrigen mag ich es auch nicht, wenn über die Kinder so respektlos geschrieben wird, dazu aber mehr an anderer Stelle). Ich behaupte noch immer, dass sich jede Frau ihren Partner aussuchen kann. Zumindest in unserer Gegend der Welt. Und ja, man kann sich in Menschen täuschen. Aber über Wochen und Monate hinweg unbekannten Menschen im Internet davon zu berichten, was der eigene Partner für ein Vollidiot ist, finde ich unglaublich respektlos und beziehungstötend.

Spüren

Egal wie anstrengend die Zeit mit den Kindern sein mag, egal was alles gerade über uns herein bricht und uns beschäftigt, ein Moment für „Was mag ich an meinem Partner eigentlich besonders? Was schätze ich an ihm? Wofür liebe ich ihn?“ sollte immer wieder sein. Und ihm das zu sagen, auch – oder gerade – wenn er gestresst und genervt ist, hilft uns die Beziehung für einen Moment wieder ins Licht zu rücken. Und zu spüren – da ist etwas. Da sind noch wir. Und dieses Wir ist wichtig.

Zuhören

Es ist nicht leicht nach einem langen Tag mit den Kindern zuzuhören, wenn der Liepste über die Sorgen in seinem Büro spricht. Aber es ist wichtig. Denn ja, wir haben viele Nerven geschmissen, haben vielleicht auch aufregende Momente erlebt. Aber das Leben des Partners auszublenden, bedeutet wieder, ihn auf dem zweiten Platz dort im Dunkeln sitzen zu lassen. Sein Job gehört zu seinem Leben, zu seiner Person. Und ich muss zugeben, dass es manchmal auch ganz angenehm ist, wenn es nicht gleich um die Kinder geht, um die es so oft geht. Sondern auch einmal andere Themen zu Tage kommen. Denn von einem genervten Bürotag kann man auch auf wieder ganz andere Themen stoßen.

Erwartungen

Ein großes Problem an Beziehungen generell sind unausgesprochene Erwartungen. Wir erwarten, dass der Partner seine Sachen selbst in den Wäschekorb räumt, dass beim Einkaufen für uns mitdenkt, dass er die Bekleidungsvorlieben der Kinder kennt, dass er dass er dass er… Und dennoch macht er das einfach nicht? Warum? Weil er nicht weiß, wie wichtig uns das ist. Er mag mitbekommen haben, dass uns etwas nervt. Doch es gibt Tage, da nervt uns etwas mehr, an anderen weniger. Das hat viele äußere Einflüsse, die man nicht immer sieht. Aber dass uns etwas wirklich wirklich ernsthaft wichtig ist, weiß er nur, wenn wir ihm das auch sagen. Und zwar nicht, indem wir es ihm entnervt entgegen brummen, sondern indem wir es ihm ruhig sagen oder zeigen.

Zeit nehmen. Zeit geben.

Was waren eigentlich Deine Hobbys und Freuden, bevor Du Kinder hattest? Hast Du heute noch genug Zeit dafür? Im ersten Jahr mit den Kindern geht davon vieles unter. Das darf auch sein, aber es darf nicht so bleiben. Wenn der Partner Zeit für sich braucht – gebt sie ihm. Aber nicht mürrisch, nicht genervt oder mit dem Gefühl „Immer nur Du.“ Wünscht ihm viel Spaß, lasst ihm Freude und teilt sie hinterher mit ihm. Und fügt erst danach an: „Ich möchte auch mal wieder. Raus. Weg. Zeit für mich.“ Es macht niemandem Freude, wenn er etwas Freudvolles tut, dies aber mit dem Gefühl, er sollte doch jetzt lieber hier sein und da sein.
Erst wenn hier ein großes Ungleichgewicht entsteht, wenn es einseitig wird und immer nur eine Person Zeit für sich hat, die andere immer nur bei den Kindern ist und vor allem – wenn sie damit unzufrieden ist – ist es wichtig, dass darüber auch gesprochen wird. Damit komme ich zum nächsten Punkt:

Reden

Es ist sicherlich das Schwierigste, aber wenn ich Probleme und Sorgen nicht anspreche, dann sind sie nicht weg. Dann keimen sie unterschwellig und irgendwann brechen sie aus uns heraus. Sei es in wütenden Tweets oder in lauten, bösartigen Streits. Wir können uns dem Reden nicht entziehen. Wir entziehen uns damit immer mehr voneinander. Es gibt viele Möglichkeiten miteinander zu reden, und vor allem gibt es viele Kommunikationsfallen, in die zu tappen für so ein Gespräch wiederum fatal ist. Aber das ist wieder einen eigenen Blogpost wert.

Das waren jetzt alles sehr kurz beleuchtete, oberflächliche Gedanken dazu, wie man eine Beziehung aufrecht erhält, auch wenn man Mutter und Vater ist. Wie man trotzdem Mann und Frau bleibt. Es gibt hier noch viel mehr zu beachten, viel mehr Arbeit zu leisten, viel mehr zu investieren. Doch das würde diesen ersten Blogpost zum Thema sprengen. Und ich weiß, dass viele irgendwann aufhören zu lesen, wenn so ein Artikel zu lang ist. Apropos – das gehört auch zu guten Beziehungen: Dass ich mich auf andere einlasse. Dass ich niemanden aufbrumme, was ich jetzt und ausgerechnet jetzt will. Dass ich einsehe – heute ein Stück, morgen ein Stück weiter. Wir können unsere Beziehung nicht mit einem leidenschaftlichen Kuss retten. Aber es kann der Anfang sein.

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Der Liepste und ich 2015, endlich mal wieder allein aus.

 

Und für unsere Kinder ist das besonders wichtig. Es dreht sich so vieles um die Kinder, wir bloggen so viel über sie. Aber nicht über das, was sie indirekt so sehr beeinflusst. Unsere Beziehung, unser Miteinander. Wir sind die Vorbilder. Wir leben vor, was unsere Kinder unbewusst aufnehmen und in ihre Beziehungen und Freundschaften integrieren. Also sollten wir nicht nur an ihnen herumzupfen (eigentlich sollten wir das gar nicht, aber gut, wieder andere Baustelle), wir sollten das vor allem an uns tun. An uns als Person und an uns als Eltern. Und dann haben wir auch das gesamte Gefüge Familie wieder auf dem Radar. Und können so ganzheitlich, wie dieses Gefüge funktioniert, denken und handeln.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Ramona

    Ein schöner Beitrag, vielleicht ein Anfange für eine ganze Reihe.

    Ich glaube auch, es wird wengi drüber geschrieben (vorallem auch, wenn etwas nicht so gut läuft), weil man Angst hat zu versagen oder Angst vor den Urteilen anderer. ich glaube, da nimmt eine funktionierende (oder nicht funktionierende) Partnerschaft einen höheren Stellenwert ein als wir glauben. Es gibt ja immer diese Idealbilder, an denen wir uns messen. Doch wie oft stimmen die mit der Realität überein? Und wer gibt gern zu, daß es anders laufen könnte? Daß vielleicht das Rollenbild, was er lebt, nicht das ist, was er gern hätte. Aber auch keine Kraft hat, es zu ändern? Das ist nur ein gedanke/Aspekt. Ich meine, da spielen so viele Aspekte hinein.

    Danke für den ersten gebloggten Beitrag zum Thema (nach dem Twitter-Impuls)

    PS: Das mit den frustirerten und respektlosen Tweets über Kinder und Männer sehe ich auch so.

  2. Judith

    Wie wahr. Danke für den Beitrag! Ich denke, (lleine) Kinder können noch nicht lesen, ergo bekommen sie nicht mit, was man über sie schreibt. Ohne Wertung, aber es ist einfach so. Sie können sich also eigentlich gar nicht wehren. Partner natürlich schon & meiner liest oft mit, was ich schreibe. Würden sie manche Dinge lesen, die man lieber irgnoriert, müsste man sich wirklich damit auseinandersetzten. Das ist natürlich schwer, unangenehme ignoriert Mensch sicher lieber (Hände hoch, wer nicht …). Ich nehme mich da gar nicht aus. Oft brauche ich lange, um etwas anzusprechen und das nach fast 15 Jahren Beziehung. Man könnte meinen, es wird leichter mit der Zeit … Und ehrlicherweise ist es mir oft zu persönlich, aber ich habe aus dem gleichen Grund auch keinen Geburtsbericht auf meinem Blog veröffentlicht…

    Ich lese übrigens gerne lange Blogposts bis zum Ende, wenn sie gut sind ;) Und danke für den Denkanstoss. Vielleicht fällt mir dazu noch etwas ein, das ich verblogge. Das erste Jahr nach dem Baby (dem zweiten bei uns) ist etwas, an dem wir hart zu „kauen“ hatten …

  3. Anja

    Die Gednaken zu dem Thema sind wirklich gut. Ich kann ja nur für mich sprechen und muss für mich sagen, was in der Familie passiert, bleibt in der Familie. Wir reden drüber, wir streiten und vertragen uns und wir leben unsere Partnerschaft. Aber ich fände es unfair meiner Familie gegenüber „Probleme“ in die Öffentlichkeit zu tragen.

    Liebe Grüße,
    Anja

  4. Gabriela

    Ich bin zum ersten mal hier und habe mich wider alle Vorsätze für diesen Morgen festgelesen, diesen Post bis zum Schluss.
    Es ist für mich schmerzhaft, aber vielleicht auch heilsam, all die Stolpersteine und Fettnäpfchen aufgelistet zu sehen, in welche wir als Paar in den letzten Jahren getreten sind bis zum Bruch, bis es klar war, dass keine Kraft mehr reicht, den tiefen Graben zu überwinden.
    Was ich aber vor allem sagen möchte: Ich bin sehr beeindruckt von deiner positiven Energie und wünsche euch von Herzen, dass es euch gelingen möge, Tag für Tag Sorge zu tragen zu diesem Geschenk einer tragenden Beziehung.
    Alles Gute, Gabriela

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