Alles meins !!!

IMG_8820Als Frau Klein begonnen hat sich fort- und auf Herrn Kleins Spielzeugautos hinzuzubewegen, wurde dies oft von einem panischen Kreischen seinerseits begleitet. „Du willst nicht, dass die M mit Deinen Sachen spielt?“ wurde mit einem ohrenbetäubenden „Naaaaiiiin!“ beantwortet. Also drehte ich mich zu Frau Klein und sagte: „Herr Klein möchte nicht, dass Du mit den Autos spielst. Vielleicht finden wir Dir etwas anderes.“ Nicht selten kam es vor, dass Herr Klein sich kurz darauf hinüber beugte und seiner Schwester ein paar Autos reichte. „Hier, mit denen kann sie doch spielen!“ 

Ich habe Herrn Klein nie dazu gedrängt zu teilen. Ich tue das auch heute nicht. Wenn er lautstark ruft „Das ist maaaaaiiiins!“ dann sage ich – wenn dem so ist: „Ja genau, das gehört Dir.“ Denn das hat nichts mit Egoismus, Gier oder Habsucht zu tun, sondern ist Tatsache. Dieses Spielzeug ist seins und daran gibt es nichts zu rütteln. Ob er das nun mit einem anderen Kind teilen will, es kurz herborgen oder nicht, ist dann eine andere Geschichte, die man in jeder individuellen Situation ganz speziell betrachten muss. Fakt ist, dass es gilt Ruhe zu bewahren, dass es absolut nichts bringt, Kinder zu drängen oder ihnen ein schlechtes Verhalten anzudichten. Denn Teilen können ist Entwicklungssache. Das hat nichts mit „müssen sie lernen“ zu tun, sondern viel mehr mit „werden sie lernen, so sie es denn vorgelebt bekommen“. Und da ist schonmal der erste Schritt versteckt:

Vorleben
Wie oft schnappen wir unseren Kindern schnell das Handy aus der Hand, entreißen es ihnen, bevor sie es kaputt machen können. Natürlich hat unser Handy nichts in kleinen Kinderhänden verloren. Aber auch ich kann mein Kind bitten, es mir wiederzugeben. Ich kann ihm erklären, dass es mir wichtig ist, dass ich es brauche und dass ich nicht will, dass damit gespielt wird. Oft habe ich erlebt, dass die Kinder dies dann auch getan haben. Nicht sofort und vielleicht nicht ohne Tränen oder Widerstand. Aber dennoch.

IMG_8933Bedanken
Und wenn sie uns etwas geben, uns etwas bringen oder ihr Essen mit uns teilen – auch wenn das manchmal einfaches Spiel ist – so hilft es, uns bei ihnen dafür zu bedanken. Ernst gemeint, und nicht überschwenglich oder so besonders verzückt von der Handlung. Kinder dürfen erfahren, dass wir etwas, was sie vielleicht nicht selbstverständlich tun, sehen und anerkennen. Aber sie müssen nicht immer dafür gelobt und gepriesen werden.

 

Das Zauberwort
Jetzt, wo ich zwei Kinder habe, kommt das Thema Teilen natürlich immer häufiger vor im Alltag. Schlichtweg, weil ich Essen für uns alle kaufe und wir uns ja dieses Teilen. Ich kaufe keinem Kind eine eigene Packung Kekse oder Bananen. Herr Klein will momentan immer der erste sein, der etwas bekommt. Das ist ok für mich, ich gestehe ihm gern den „Nummer 1 Status“ zu, den er lange Zeit hatte. Aber wenn ich sehe, dass Frau Klein das gleiche möchte (also fast meistens so gut wie immer), bitte ich ihn, ihr etwas abzugeben. Und das tut er. Weil ich nicht sage „Teile das mit Deiner Schwester!“, sondern ihn frage „Gibst Du bitte Deiner Schwester auch ein Stück?“

IMG_9078Streit
Natürlich gibt es aber vor allem in Bezug auf Spielzeug immer wieder Streit. Er nimmt ihr rein aus Freude etwas weg, womit sie gerade spielt. Sie findet etwas spannend, was in seiner Nähe liegt und ihn stört das sehr… Das Übliche eben. Was tun ?
Ich greife da nur ein, wenn ich merke, dass die beiden das nicht selbst lösen können. Wenn er ihr etwas wegschnappt, was ihr wirklich wichtig war und sie deswegen anfängt zu weinen. Aber statt einem „Gib’s ihr wieder!“ beschreibe ich die Situation: „Frau Klein, Du brauchst das noch unbedingt, ja?“ und das hört er. Ist er nicht bereit, es herzugeben, sage ich ihm, dass sie das noch braucht und ob wir für ihn nicht etwas ähnliches finden können. Dabei behalte ich immer im Auge, wie es Frau Klein geht. Denn oft beruhigen sich die Kinder schon, wenn sie merken, dass sie jemand ernst genommen hat. Manchmal entdecken sie nebenbei etwas ganz anderes und nehmen das und sind zufrieden. Und ja, dann lasse ich dem großen Bruder das, was er ihr weggeschnappt hat. Teilen lernt er dennoch, denn wie in der am Anfang beschriebenen Situation erlebt auch er, dass er ernst genommen wird mit den Dingen, die ihm gehören.

Kinder haben eben wirklich Angst, dass diese Sachen ihnen völlig abhanden kommen. Auch die, die sie bis eben absolut überhaupt nicht interessiert haben. Naja, meistens besonders diese!! Eigentum, Besitz und die Tatsache, wem was gehört, weil seine Eltern es ihm gekauft oder geschenkt haben, verstehen Kinder erst viel später. Bis dahin genügt es, ihnen immer wieder zu versichern, dass das, was ihnen gehört, wirklich ihnen gehört. Und ja, das, was anderen gehört – eben diesen.

Auf Spielplätzen ist so etwas besonders schwierig. Denn hier sitzen die Eltern der anderen Kinder. Die haben andere Vorstellungen, andere Meinungen und andere Erwartungen. Nicht selten sind sie scheinbar so von den angenommenen Erwartungen der anderen Eltern gedrängt beziehungsweise glaube, dass Kinder teilen lernen müssten, dass sie ihre eigenen Kinder selbst in Situationen, in denen ihnen etwas weggenommen wird, so vehement zum Teilen drängen, dass diese am Ende am liebsten gar nichts mehr hergeben wollen. Hier hilft es in solchen Situationen auf Augenhöhe der Kinder zu gehen und ausschließlich mit ihnen zu reden. „Ihr wollt jetzt unbedingt beide mit dem Bagger spielen.“ „Du brauchst die Schaufel grad noch.“ „Sollen wir mal schauen, ob wir noch einen anderen Bagger finden, oder einen Traktor?“ Und nur wenn gar nichts mehr hilft, dann kommt es auch mal vor, dass man sein Kind von einem Spielzeug wirklich losreißen muss. Aber dann kann man immer noch sagen: „Du wolltest sooo gern auch mal damit spielen.“ und dann einfach das Schluchzen annehmen und ertragen.

Kommen häufig Kinder zu Besuch und es kommt immer wieder zu Streit, hilft es vorher mit dem eigenen Kind eine Besucherkiste zusammenzustellen. Darin ist dann Spielzeug, das alle Kinder nehmen dürfen. Gleichzeitig kann man gemeinsam mit dem Kind die Dinge, die ihm so wichtig sind, dass niemand anderer damit spielen darf, außer Reichweite. Das gilt auch für den Besuch am Spielplatz. Ich habe da Herrn Klein schon gesagt: „Du, ich möchte das Laufrad nicht mehr mitnehmen. Es wollen immer andere Kinder damit spielen und für Dich ist das immer ganz schwer, das mag ich nicht mehr mitmachen.“

Wichtig ist hier genauso wie in sämtlichen anderen Bereichen – Geduld haben, dem Kind Zeit geben. Und – hier spreche ich aus eigener Erfahrung – unbedingt fragen, wenn man sich einen Keks, ein Pommes Frites, oder ein Stück Käse von ihrem Teller nehmen möchte.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Anna

    Warum sind denn hier noch gar keine Kommentare? Oder kann ich die einfach nur nicht sehen?

    Wie auch immer, vielen Dank für den wundervollen Artikel! Genau diese Sichtweise habe ich auch, aber meine Tochter ist noch zu jung, als dass ich sehen könnte, ob es auch funktioniert. Schön, von positiven Erfahrungen zu lesen!

    Was ich vorhabe, ist den Kindern immer mal wieder kleine „Aufgaben“ zum Teilen zu geben. Wenn ich also zum Beispiel eine Tüte Gummibärchen mitbringe, frage ich sie, wie sie die aufteilen können, sodass alle glücklich sind. Kinder haben einen Gerechtigkeitssinn und ab einem gewissen Alter auch genug Empathie, um gemeinsam eine Lösung zu finden.
    Ich denke, dass sich Strategien zum fairen Teilen von allein entwickeln, wenn sie beobachtet werden, aber auch, dass man sie üben muss.

  2. Frau

    Ich finde immer wieder erstaunlich, wie viele Eltern (Mütter) ihre Kleinkinder zum Teilen überreden wollen und ich fand es oft schwer, mich dem Gruppendruck zu entziehen.
    Du schreibst, dass wir unbedingt fragen sollen, wenn wir etwas zu Essen vom Teller des Kindes nehmen. Das erinnert mich an ein einfaches Beispiel zum Thema teilen: Du lädst eine Freundin von Dir nach Hause ein. Dein Mann, der gerade am Computer beschäftigt ist, begrüßt sie kurz und vertieft sich dann wieder in seine Tätigkeit. Nach einer Viertelstunde sagst Du zu Deinem Mann: „So, nun ist meine Freundin an der Reihe, am PC zu spielen.“
    Seitdem finde ich es sehr viel einfacher, meinem Kind zu erlauben, nicht zu teilen. Es geht auch um Respekt dem Kind gegenüber. Wir würden unserem Partner ja auch nicht ungefragt einen Keks vom Teller klauen – es sei denn, es ist ein Notfall ;-)

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