Alles auf Anfang

IMG_3308Frau Klein ist zarte zwei Wochen alt. Zwei Wochen lang steht unser Leben nun wieder völlig auf Anfang. Ist linksherum und auf dem Kopf. Und doch irgendwie vertraut. 

Wie auch beim ersten Kind spazierten wir wenige Stunden nach der Geburt mit dem kleinen Bündel Leben im Arm aus dem Krankenhaus. Verweigerten die Mehrbettzimmer und sterile Atmosphären. Wir wollten so schnell wie möglich zusammenwachsen und uns nicht erst an fremde Abläufe gewöhnen. Und das war gut so.

 

Erstaunlicherweise ist mit einem zweiten Kind alles so viel einfacher. Das haben mir zwar viele im Vorfeld schon gesagt, aber so richtig glauben will man es ja nicht bis man es erlebt. Zumindest wagt man nicht, allzu viel Hoffnung zu schöpfen. Aber als ich Frau Klein dann das erste Mal auf den Wickeltisch legte, ihr jeden Schritt erklärte und sie mit sicheren Händen sanft aber routiniert von einer in die andere Windel steckte, war ich selbst überrascht. Bei Herrn Klein taten wir uns anfangs schwer mit ihm zu reden. Natürlich kommt noch keine wirkliche Reaktion und ja, die ersten Male Wickeln sind einfach von Schreien begleitet. Weil es kalt ist, ungewohnt und sicher einfach unangenehm. Gerade deshalb schien es uns notwendig mit Frau Klein zu reden. Ihr zu sagen, was mit ihr passierte. Ihr zu versichern, dass wir da waren und sie nicht allein. Dass  das einfach nur notwendig sei, wenn auch nicht angenehm. Es machte uns Freude so intensiv bei ihr zu sein, alles rundherum ausblenden zu können. Es fühlte sich gut an, durch ihr Schreien nicht nervös zu werden, es nicht auf Biegen und Brechen verhindern zu wollen, sondern es anzunehmen und darauf einzugehen. Es dauerte nur zwei Tage. Mittlerweile schaut sie sich bereits neugierig um am Wickeltisch.

Das Stillen ist auch in kurzer Zeit Teil des Alltags geworden. Natürlich kann noch von keinem Rhythmus die Rede sein, aber der Milcheinschuss, das Einspielen der Milchmenge, das Anlegen etc. sind alles Abläufe, die wir auf dem Weg einfach so aufgenommen haben, wie sie kamen.

Klingt also alles ganz wunderbar. Und so viel einfacher und entspannter.

Nun. So ist es nicht. Denn es gibt ja noch Herrn Klein. Der neugierig seine Schwester betrachtet. Der beim Wickeln oder Stillen zuschaut. Der sie halten, streicheln und küssen will. Der aber auch auf seine Mama verzichten muss, wenn er sie grad gern nur für sich hätte. Dessen Leben Kopf steht und der sich fragt, wo sein Platz in diesem neuen Gefüge ist und ihn teilweise körperlich einfordert. Der immer wieder sicherstellt, dass niemand von uns ins Krankenhaus zurück muss. Der nachts den Papa in Beschlag nimmt, während die Mama mit der Schwester beschäftigt ist.

So waren die ersten zwei Wochen zu viert ein interessiertes Beobachten. Wer reagiert wann und wie? Wer braucht was? Und was ist jeder fähig zu geben? All das ist KEIN Spaziergang. Es ist ein Wandern zwischen Gefühlen. Ein Weg zwischen Wollen und Können. Momente der Zerrissenheit. Wut, Angst und Traurigkeit im Schatten von Übermüdung und Erschöpfung. Freude und Lachen Arm in Arm mit den Hormonen.

Und so steht alles auf Anfang. Routine vs. Neuland. Das einzige, worauf wir uns verlassen können, ist, dass wir uns auf nichts verlassen können. Jeder Tag ist anders. Und wir alle im Wachstum.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. tina

    Oh ja, beim zweiten ist das Notwendige Routine und alles andere neu.
    Meine Große war 2,5 und hat ihrem Bruder ständig den Nuckel geklaut, ist nicht zum Papa kuscheln gegangen, sondern hat sich zu mir und dem Bruder gelegt – notfalls auf den Boden vor dem Sofa, wenn es für drei zu eng war.
    Eine schwierige Zeit für die Knirpse, aber letztendlich ist der Junior für sie eine verlässliche Konstante im Leben geworden. Und das ist für alle gut so

    Ich wünsch euch eine spannende Zeit mit viel Kraft und viel Freude am neuen Gefüge!

    LG Tina

    1. buntraum

      Danke Dir, Tina!
      Ja ich glaube, dass es all das wert ist, wenn die zwei erst mal zusammenfinden. Wir wussten ja, dass es nicht leicht wird. Aber leider (oder zum Glück?) weiß man im Vorfeld nicht, in welchem Ausmaß und wie überhaupt die erste Schwierigkeit wird. Naja, wir können nix tun als mitgehen und mitwachsen. Bin gespannt was noch so kommt…

  2. Doula Doro

    Das hast du so wunderbar beschrieben! Ich finde die erste Zeit, in der man als Familie zusammen wächst ist etwas ganz besonders. Bei uns war es bei jedem Kind wieder ein Ausnahmezustand, in dem die Zeit scheinbar langsamer läuft. Intensiv, manchmal anstrengend, aber auch zauberhaft schön!

    1. buntraum

      intensiv, anstrengend aber auch zauberhaft schön – ja, genau so empfinde ich es auch. Jeden Tag in einer anderen Reihenfolge. Und manchmal alles gleichzeitig…

  3. Ramona

    Das hast du wunderbar treffend geschrieben!

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